Die Seelenzauberin - 2
ihr nur so nahe auf den Leib gerückt, um sie zu verunsichern, deshalb wich sie nicht zurück, sondern richtete sich so hoheitsvoll auf, dass er unwillkürlich einen Schritt nach hinten machte. Sie durfte keine Schwäche zeigen, musste ihm als mächtige Königin begegnen, nicht als verzweifelte Bettlerin. »Solche Gaben gibt es nicht als Geschenk«, sagte sie streng. »Nennt mir den Preis dafür.«
Wieder wurden seine Augen schmal. »Ich spreche nicht im Namen von Krämern, die um eine Handvoll Münzen feilschen. Ich bin im Auftrag von mächtigen Männern hier, die ein Bündnis mit einer ebenso mächtigen Frau anstreben.«
»Männer?« Die Schärfe in ihrer Stimme war unüberhörbar. »Es sind nur Männer?«
Er nickte. »Jawohl.«
»Erinnert das nicht sehr an die Magister?«
»Abgesehen davon, dass wir Euch anbieten, Euch in unsere Reihen aufzunehmen, während sie – ich darf doch ganz offen sprechen, edle Königin? – Euch einfach dem Tod überlassen haben.«
Die Worte waren wie eine schallende Ohrfeige. Ja, die Magister hatten sie dem Tod überlassen. Sie hatten sie benützt, zu ihrem Vergnügen und als Mittel, um ihre erbärmliche Bruderschaft aus heimtückischen Verrätern zusammenzuhalten, und sie weggeworfen wie ein Stück Dreck, als sie genug von ihr hatten. Wie die Schale einer Frucht, der man den Saft ausgesogen hatte. Den Rest mochten die Fliegen fressen, wen kümmerte es?
Sie fragte sich, ob die Magister überhaupt ahnten, wie sehr sie sie hasste. Wohl eher nicht. Diese charakterlosen Schweine waren doch ohne Ausnahme blind für alles außer ihren eigenen Begehrlichkeiten, ihren Marotten und ihren kleinlichen Rivalitäten.
Die Vorstellung, über eine Macht verfügen zu können, von der sie nichts ahnten, war verführerisch. Die Vorstellung, lange genug zu leben, um den Spieß umzudrehen und sich dafür zu rächen, dass sie sich so eiskalt von ihr abgewandt hatten, war geradezu unwiderstehlich.
Aber Worte waren wohlfeil. Jeder Narr konnte damit hausieren gehen. Und in den vielen Jahren ihrer Herrschaft hatte sie immerhin eines gelernt: Eine mächtige Frau zog die Narren an wie der Honig die Fliegen.
»Womit könnt Ihr mir beweisen, dass Ihr die Wahrheit sagt?«, fragte sie. »Oder glaubt Ihr wirklich, ich würde mich auf jeden Fremden einlassen, nur weil er mir mit ein paar schönen Worten schmeichelt? Jeder gute Schauspieler könnte eine solche Vorstellung abliefern. Woher weiß ich denn, dass Ihr überhaupt Verbündete habt?«
Die kalten Schlangenaugen funkelten belustigt. Konnte er etwa ihre Gedanken lesen? Ein Hexer wäre dazu durchaus imstande, erkannte sie plötzlich, und ein Magister erst recht.
»Wenn der Tag kommt, um nach dieser Macht zu greifen, Majestät, wird man Euch alles offenbaren. Dann könnt Ihr in voller Kenntnis sämtlicher Alternativen entscheiden, ob Ihr weitermachen wollt. Ist das in Eurem Sinn?«
Wenn der Tag kommt? Ihr blieb fast das Herz stehen. »Ihr behauptet zu wissen, wie es um mich steht, und erwähnt so nebenbei, ich müsse noch warten?« Sie schaute zur Tür. »Mir scheint, ich habe meine Zeit doch verschwendet.«
Der Mann sah sie scharf an. In diesem Moment wirkten seine Augen erschreckend fremd und unergründlich! Ganz anders als Menschenaugen. »Es gibt einige Vorbereitungen zu treffen, bevor Ihr zu uns stoßen könnt. Noch sind gewisse natürliche Vorgänge nicht abgeschlossen. Wir haben unser Möglichstes getan, um sie zu beschleunigen, aber …«
»Wie lange?«, wollte sie wissen.
»Mindestens ein kurzer Monat. Höchstens ein langer, nicht mehr.«
Sie ließ mit leisem Zischen den Atem ausströmen. »Warum kommt Ihr dann schon heute? Warum erzählt Ihr mir all das schon heute Abend, wenn …« wenn ich in einem Monat womöglich nicht mehr am Leben bin »… wenn Ihr Euer Versprechen nicht einlösen, ja nicht einmal beweisen könnt, dass eine solche Macht existiert?«
»Ich bin heute gekommen, um in Erfahrung zu bringen, ob Ihr an unserem Angebot überhaupt Interesse habt. Ansonsten müssten wir uns anderswo umsehen.«
»Ihr würdet nach einer anderen Frau suchen?«
»Ja.«
»Einer Frau mit übernatürlichen Kräften?«
»Nach einer Königin im Geiste, wenn auch ohne Titel. Keine andere käme infrage.«
»Und ich war Eure erste Wahl?«, fragte sie. »Oder seid Ihr vor mir schon an andere Königinnen herangetreten und habt Euch eine Abfuhr geholt?«
An seinem Unterkiefer zuckte ein Muskel. »Keine anderen Königinnen«, sagte er knapp. Seine
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