Die Seelenzauberin - 2
aufhalten, den sie nicht zuordnen konnte. Dass ihr das bei diesem Mann nicht gelang, war … bestürzend.
Um seinen Mund spielte ein leises Lächeln, das so etwas wie spöttische Genugtuung ausdrückte. Als hätte er ihre Verwirrung gespürt und ergötze sich daran. »Euer Ruf wird Euch nicht gerecht.«
»Ihr seid keiner von meinen Gästen«, gab sie kalt zurück.
»Keiner von Euren geladenen Gästen«, er nickte, »aber ich dachte, Ihr würdet mich trotzdem willkommen heißen.«
Er fasste nach ihrer Hand – der Linken – und führte sie an seine Lippen. Etwas an der Geste jagte ihr einen kalten Schauer über den Rücken. Sie wollte die Hand schon zurückziehen, dachte sogar daran, die Wachen zu rufen, um ihn hinausbefördern zu lassen, doch da legte er die andere Hand über die ihre und sagte leise: »Wenn Ihr gestattet, möchte ich Euch zur Wahl Eures Schmucks beglückwünschen.«
Was erdreistete er sich? Sie setzte schon zu einer scharfen Zurechtweisung an … doch dann sah sie, was er selbst am Finger trug, und die Worte erstarben ihr auf den Lippen. Alles verschwamm ihr vor den Augen; der einzige feste Punkt war der tiefblaue Stein im Cabochonschliff an ihrer Linken, den ihr der Zauberer gegeben hatte … und der dazu passende Ring des Fremden daneben. Tiefblau, fast violett, in den Tiefen in anderen Farben schillernd.
»Vielleicht lässt sich ein Raum finden, wo wir uns unter vier Augen unterhalten können?«, schlug er vor.
Sie blinzelte, die Welt wurde wieder scharf. Dann sah sie sich nach ihren Gästen um. Offenbar waren gerade alle aufs Angenehmste beschäftigt. Falls sie Wünsche hätten, konnten ihre Diener sich darum kümmern. Wenn sie niemandem sagte, dass sie fortging, würde ihre Abwesenheit vermutlich gar nicht auffallen. Sie überlegte kurz, ob sie, nur für alle Fälle, einen Gardisten mitnehmen sollte, doch mit einem Mal war sie von einer kalten, verbissenen Entschlossenheit erfüllt. Wenn dieser Mann und sein Vorgänger tatsächlich waren, wofür sie sich ausgaben, dann brauchte nicht einmal der vertrauteste Diener zu hören, was sie mit ihnen zu besprechen hatte. Und wenn nicht, wenn es eine Falle war … was hätte sie noch zu verlieren? Ein paar Lebensjahre? Vielleicht nur ein paar Monate? Die Zeit, um auf Sicherheit zu spielen, war lange vorbei.
»Folgt mir«, sagte sie, und plötzlich klopfte ihr Herz so stark, dass sie die Musik nicht mehr hörte.
Sie führte ihn durch den Palast, vorbei an Aufenthaltsräumen, die in Samt und Gold gehalten waren und durch deren Butzenfensterscheiben man auf den mondhellen Hafen sehen konnte. Eine Zofe eilte hastig um eine Ecke und wäre fast mit ihnen zusammengeprallt; sie verneigte sich ehrerbietig bis zum Boden und wimmerte Entschuldigungen, bis die beiden außer Sicht waren. Siderea nahm sie kaum wahr. Sie dachte an die Nacht, in der jener Zauberer sie auf ihrem Balkon aufgesucht und ihr, ohne dass sie sein Gesicht hätte sehen können, versprochen hatte, er könne ihr helfen, trotz ihres erlöschenden Seelenfeuers weiterzuleben. Doch zu welchen Bedingungen? Dazu hatte er sich nicht geäußert. Aber sie zweifelte nicht daran, dass sie einen Preis bezahlen müsste, und der würde erheblich sein.
Endlich erreichten sie einen abgelegenen kleinen Arbeitsraum und traten ein. Siderea schloss die schweren Türen, richtete sich auf und wandte sich ihrem Begleiter zu. In der Vorhalle hatte er sie überrumpelt, aber das sollte ihm nicht noch einmal gelingen. Man konnte das Protokoll unter den gegebenen Umständen etwas großzügiger auslegen, aber alles hatte seine Grenzen. Sie war immer noch die Königin hier.
Auch der erste Besucher hatte solche Spielchen mit ihr getrieben, erinnerte sie sich. Obwohl sie damals sein Gesicht nicht deutlich hatte sehen können und er nur geflüstert hatte, erkannte sie jetzt, dass sein Akzent fast der gleiche gewesen war wie bei diesem Mann. Waren sie etwa ein und dieselbe Person? Sie beschloss, einfach ihr Glück zu versuchen.
»Nun betretet Ihr mein Haus schon zum zweiten Mal, ohne Euch anständig vorzustellen«, hielt sie ihm vor. Die aufblitzende Überraschung in seinen Augen bestätigte ihren Verdacht. »Ich meine, es wäre höchste Zeit, das nachzuholen.«
Sein knappes Nicken würdigte ihren Scharfblick, warnte sie aber auch, dass das Spiel noch lange nicht vorüber war. »Ihr könnt mich Amalik nennen.«
»Ich nehme nicht an, dass das Euer richtiger Name ist.«
Die schmalen Lippen verzogen sich. »Es ist
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