Die Seelenzauberin
sie versucht, sich den Kreaturen entgegenzustellen, und waren unterlegen? Aber man konnte sich kaum vorstellen, dass sie in diesem Fall keinen Hilferuf abgesetzt hätten. Oder war dafür alles zu schnell gegangen?
Er schüttelte solche Gedanken ab. »Und wer soll denn nun für mich übersetzen? Bestimmt ein kurzsichtiger kleiner Bücherwurm, den ich beim Reiten vor jedem Ast warnen muss? Falls er überhaupt reiten kann.«
»Da hättest du noch Glück gehabt.« Sie schlug ihm mit einem zusammengefalteten Blatt Papier leicht gegen die Brust. »Wenn die Gerüchte stimmen, soll dich ein arroganter Skandir begleiten, der nicht gerade ein Freund der Alkalier ist. Ach ja, und es ist auch noch eine Frau. Wahrscheinlich musst du jedes Mal warten, wenn sie pissen geht.«
Er nahm ihr das Blatt ab und überflog es rasch. Favias hatte ihnen ein Empfehlungsschreiben mitgegeben, falls man sie fragte, was sie auf alkalischem Gebiet zu suchen hätten. Das war an sich schon beunruhigend; normalerweise brauchten die Hüter keine besondere Genehmigung, um ihren Dienst zu versehen. »Wenn sie zu lange braucht, lasse ich sie einfach zurück.«
»Könnte sein, dass du keine zehn Schritte weit kämst, weil sie die beste Schützin weit und breit ist.«
Er faltete das Papier zusammen und steckte es unter sein Hemd. »Könnte aber auch sein, dass sie in letzter Zeit zu viel Skandir-Bier getrunken hat und sich heillos überschätzt.«
»Zehn Kroger , dass sie besser ist als du. Du kannst das Ziel und die Bedingungen bestimmen.«
Er schüttelte den Kopf. »Ich habe keine Kroger bei mir, und das weißt du genau.«
»Heißt das, du gibst auf?« Sie lächelte zuckersüß. »Du machst es dir zu einfach, Keirdwynner.«
Nun musste er doch lachen. »Und wer kommt sonst noch mit?«
»Niemand. Nur du und ich auf der kalten Landstraße. Favias will, dass wir uns sputen und schnell wieder zurück sind. Wir reiten zuerst nach Norden, dann am Heiligen Zorn entlang nach Osten und kontrollieren jeden einzelnen Speer, bis wir die Wurzel des Übels gefunden haben. Am besten, bevor die Alkalier überhaupt merken, dass wir da sind. Andere Hüter haben andere Aufträge erhalten.«
Rhys nickte. Er hätte gerne eine Hexe oder einen Hexer dabeigehabt, auch wenn sie solche Kräfte vielleicht gar nicht brauchen würden, aber die Seher waren bekanntlich besonders empfindlich für die Ausstrahlung des Heiligen Zorns und hätten vermutlich nicht überlebt, wenn man sie ihm so lange ausgesetzt hätte. Das war wohl der Preis dafür, dass sie sich auf Visionen spezialisiert hatten; dadurch wurden sie doppelt empfänglich für alle Einflüsse, die auf den Geist wirkten. »Aufbruch im Morgengrauen?«
»Wenn du es schaffst, so früh auf den Beinen zu sein.« Sie zog ein schmales Messer mit kunstvoll verziertem beinernem Griff. »Ich möchte nicht zu viel von deinem edlen Blut vergießen.«
Er packte ihr Handgelenk und hielt es fest. Sie sah ihn lange an, als wollte sie abschätzen, inwieweit sein Zorn tatsächlich echt war, dann schüttelte sie seine Hand ab. »Immer mit der Ruhe, Rhys, mich hat man nämlich aus dem gleichen Grund auserwählt. Ich bin entfernt mit irgendeiner wichtigen Persönlichkeit verwandt … den Namen habe ich vergessen. Der Lyr -Segen ist bei mir nicht so stark, aber ein paar Tropfen fließen auch in meinen Adern. Und Favias meinte, das könnte nicht schaden, falls du sehr dicht an die Speere heran müsstest.«
Sie senkte den Blick und brachte sich mit dem Messer an einer Seite des Handtellers einen flachen, kurzen Schnitt bei. Das Blut quoll rasch heraus und lief ihr über die Handfläche. »Mögen die Götter des Nordens uns leiten und behüten. Mögen sie unsere Augen schärfen, damit wir den Feind entdecken, mögen sie uns den Mut verleihen, ihn zum Kampf zu fordern, und die Kraft, ihn in die schlimmste Hölle zu schicken, die die Unterwelt zu bieten hat.« Sie trat vor, legte die Hand auf den krummen Felsen, verteilte das Blut und zog sie wieder zurück.
Dann reichte sie Rhys das Messer.
Langsam und sorgfältig zog er die Schneide über eine Stelle, wo die Haut schon unzählige Male aufgeschnitten worden war. Er betete nicht laut, sondern begleitete das Blutopfer nur mit stummen Lippenbewegungen.
Wenn wir die Generation sind, die den Kampf mit den Dämonen führen muss, so fügen wir uns. Führt uns dahin, wo unsere Kraft gebraucht wird. Helft uns, dafür zu sorgen, dass das Zweite Königtum nicht das gleiche Ende nimmt wie das
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