Die Seevölker
aus zeitgenössischen Inschriften bekannten Köni-
ge mit den Königen in Manethos Listen zu identifizieren, beschränken
sich häufig auf bloßes Auswählen. Erhellen wir das mit dem folgenden
Beispiel: Als reiches Denkmalmaterial über die Regierung eines Pharao
4 Breasted, Geschichte Aegyptens, Übers. Hermann Ranke (Zürich, 1936), S. 26.
5 Gardiner, Egypt of the Pharaohs, S. 46-47.
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gefunden wurde, für den die Historiographen den Namen Ramses III.
ausgewählt hatten, war er mit keinem der Könige auf Manethos Listen
identifiziert. Auf diesen Listen unauffindbar, wurde er der 20. Dyna-
stie zugewiesen, wahrscheinlich, weil die Könige dieser Dynastie in
den dynastischen Listen von Africanus und Eusebius namenlos sind,
obwohl Georgius Syncellus, ein byzantinischer Mönch und Kopist,
eine Liste von Königen dieser Dynastie überliefert hat – allerdings oh-
ne den königlichen Namen Ramses III. Die zwölf (unbenannten) Köni-
ge von Diospolis der 20. Dynastie regierten 135 Jahre (Africanus) oder
178 Jahre (Eusebius), und es schien vertretbar, Ramses III. und ihm
folgende Ramessiden in dieser Dynastie einzuordnen. In Wirklichkeit,
wie ich im vorliegenden Buch nachzuweisen versuchte, war Ramses
III. der Nektanebos I. auf Manethos Listen, und er gehörte zur letzten
Dynastie ägyptischer Könige, der 30. Ihm zehn Dynastien folgen zu
lassen – die 21. bis 30. –, verursacht eine Entstellung, für die Manetho
nur wenig Verantwortung zu tragen hat – wenn überhaupt –, denn er
plazierte Ramses III. nicht in die 20. Dynastie. Folglich wird dieser Kö-
nig durch einen fiktiven Ramses III. im zwölften Jahrhundert und
durch Nektanebos I. im vierten Jahrhundert repräsentiert.
Der Übergang von der 21. zur 20. Dynastie wird allgemein als ver-
schwommene chronologische Angelegenheit zugegeben. Wie die vor-
liegende Rekonstruktion enthüllt, regierte die 21. Dynastie in den Oa-
sen vor, während und nach der 20. Dynastie (die identisch ist mit der
29. und 30.) im Niltal. Die 22. oder Libysche Dynastie jedoch regierte
nach der 18. Dynastie, wie in einem weiteren Band des vorliegenden
Werkes noch darzustellen ist.
Über die 24. Dynastie schrieb Syncellus, als er Africanus' Version
der Liste Manethos kopierte: »Die 24. Dynastie Bocchoris von Sais, für
6 Jahre: während seiner Regierung redete ein Lamm [im Manuskript
folgt hier eine kurze Lücke] 990 Jahre.« Eusebius schrieb ähnlich, doch
unterscheidet er sich merklich im Hinblick auf die Dauer dieser Dyna-
stie: »Bocchoris von Sais für 44 Jahre: in seiner Regierungszeit redete
ein Lamm. Total, 44 Jahre.« Derartige Information, anstelle historischen
Materials über die 24. Dynastie, ist vollkommen nutzlos. Wir müssen
raten, ob 6 Jahre oder 44 oder 990 korrekt sind.
Ungeachtet der Tatsache, daß die Chronologie von Manetho als
»unordentliche und unkritische« Zusammenstellung gebrandmarkt ist,
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die von den Denkmalzeugnissen in den meisten Fällen als falsch auf-
gezeigt wird, dient sie als das Gerüst der Geschichte Ägyptens. Die
Einteilung nach Dynastien, wie sie Manetho gibt, wird bis zum heuti-
gen Tag verwendet. Sein Werk wird als Darstellung der Kontinuität
ägyptischer historischer Traditionen angesehen, während die Aufein-
anderfolge von Ereignissen in der Vergangenheit von Völkern ohne
solche kontinuierliche Tradition spekulativ bleibt, weil für die Ein-
ordnung der archäologischen Daten kein Gerüst vorhanden ist.
»Absolute Sicherheit in diesen Dingen ist nur möglich, wo eine kon-
tinuierliche literarische Tradition immer existiert hat. Die moderne
Erforschung europäischer und amerikanischer prähistorischer Archäo-
logie zum Beispiel, die keine literarische Tradition zur Seite hat, muß
zur Hauptsache immer Mutmaßung bleiben. Das Hauptschema der
Geschichte des alten Ägypten ist jetzt Gewißheit, nicht nur Hypothese;
doch ist sehr zweifelhaft, ob es je zur Gewißheit geworden wäre, wenn
seine Konstruktion völlig von den Archäologen abhängig gewesen
wäre. Das komplette Skelett des Schemas wurde von der kon-
tinuierlichen literarischen Tradition bestimmt, überliefert vom ägypti-
schen Priester Manetho; es wurde mit Fleisch bekleidet durch die Ar-
chäologen.«6
Diese Sätze stammen vom selben Autor (H. R. Hall), der auf einer
der vorangehenden Seiten den verstümmelten Zustand und die Ver-
trauensunwürdigkeit der noch vorhandenen Texte Manethos beklagt.
Doch in
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