Die Seevölker
sowie vor Amenophis III. oder Amenophis IV. (Echnaton)
aus der 18. Dynastie. Ungelöst bleibt folgendes Rätsel: Wie kommt es,
daß Ramses III. während des Krieges, den er gegen die in Ägypten und
Palästina eindringenden Seevölker führte, nicht auf die israelitischen
Stämme traf, und wie kommt es, daß auch in den hebräischen Annalen
keine Erinnerung an diesen Feldzug erhalten ist?
Man ging davon aus, daß es sich hier um eine riesige Völkerwande-
rung handelte, wie es sie nur in wenigen anderen Epochen der Ge-
schichte gegeben hatte. »Das Jahr 1200 v. Chr. bezeichnet etwa den
Gipfelpunkt des politischen Lebens im alten Orient…, eine Verände-
rung, die in ihren weitreichenden Auswirkungen nur noch mit der
Eroberung durch Alexander zu vergleichen ist«, schrieb ein Mitglied
der mehrere Grabungskampagnen umfassenden archäologischen For-
schungsexpedition in Medinet Habu.3
Da kurz nach –1200 kein Volk besser paßte, identifizierte man die
Pereset mit den Philistern, und in den Schulbüchern findet man Por-
träts von den Philistern, dem Volk Goliaths, einem Volk, das in den
3 H. H. Nelson: Medinet Habu, The Epigraphic Survey of the Oriental Institute (University of Chicago 1929), S. 1.
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Tagen der Richter weithin berühmt war: diese Porträts sind nach Kopi-
en von den Reliefs des Totentempels Ramses' III. angefertigt.
Abb. 4: Seevölkersoldaten in der ägyptischen Siegesparade. Aus einem Relief in Medi-
net Habu.
Auf den Mauern dieses Tempels in Medinet Habu lassen sich die
Pereset und ihre Verbündeten, die Seevölker, leicht aufgrund ihrer
Kleidung erkennen. Die Pereset tragen kronenförmige Helme auf dem
Kopf und kostbare Gewänder am Körper. Die Soldaten der Seevölker
tragen Helme mit Hörnern, wobei sich gelegentlich zwischen den bei-
den Hörnern eine Kugel bzw. eine Scheibe befindet.
Die Pereset waren – so läßt sich aus ihrer kunstvollen und farben-
prächtigen Kleidung schließen – ein wohlhabendes und kultiviertes
Volk. Die vorzüglich ausgerüsteten und bewaffneten Truppen erweck-
ten jedenfalls nicht den Eindruck von planlos umherziehenden wan-
dernden Horden, als die sie manchmal in den Theorien über die Wan-
derungsbewegungen jener heimatlos gewordenen Völker hingestellt
werden, die nach Ägypten vordrangen. Eine moderne Wissenschaftle-
rin hat diese Auffassung gleichzeitig mit ihrer Überzeugung vertreten,
daß es sich bei diesen Armeen um die Streitkräfte wohlorganisierter
Staaten gehandelt habe, nicht aber um dahinziehende, aus ihrer Hei-
mat vertriebene Horden.4 Das gleiche gilt auch für die Seevölker, bei
denen es sich um disziplinierte und gut organisierte Truppen handelt.
Wir haben keine anderen Vergleichsmöglichkeiten für das äußere
Erscheinungsbild der Philister; betrachten wir jedoch eingehend die
4 L. A. Stella: Rivista di Antropologia, 39 (1951-52), 3-17.
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Grabungsberichte aus verschiedenen Ländern und die Photographien
von antiker Kunst, dann begegnen wir erneut jenen kronenförmigen
Helmen, die uns bereits von den Reliefs Ramses' III. her als Kopfbe-
deckung der Pereset bekannt sind. Wir finden sie auf den Köpfen per-
sischer Soldaten.
In Persepolis, der ehemaligen Hauptstadt, etwa 50 Kilometer nordöst-
lich von Schiras, stehen die Ruinen von den Palästen der einstigen Per-
serkönige, bei denen großartige Monumentaltreppen erhalten geblie-
ben sind; an den Seitenwänden dieser Monumentaltreppen finden sich,
in Relief gehauen, die Figuren zahlreicher persischer Soldaten. Auf
dem Kopf tragen sie kronenförmige Helme: Diese Kopfbedeckung be-
steht aus einer Anzahl von kleinen Flächen bzw. Blättern auf einem
Band, das – mit Ornamenten verziert – um den Kopf geschlungen ist,
sowie aus einem kleinen Schutzschild für den rückwärtigen Kopfteil.
Die kronenförmige Kopfbedeckung der Pereset in den ägyptischen
Tempelreliefs besteht gleichfalls aus einer Anzahl von kleinen Flächen
bzw. Blättern auf einem Band, das – mit Ornamenten verziert – um den
Kopf geschlungen ist, sowie einem kleinen Schutzschild für den rück-
wärtigen Kopfteil.
Abb. 5: Monumentaltreppe (Osttreppe) in Persepolis, der Hauptstadt des Perserreiches
zur Zeit Ramses' III.
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In der Nähe von Persepolis, in Naqsch-i-Rustam, befinden sich die
Gräber der Großkönige Persiens, Grabkammern, die hoch über dem
Erdboden in eine mächtige Felswand gehauen sind. Das Grab des Da-
reios enthält Reliefs auf
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