Die Seevölker
diesen Soldaten um Griechen
der archaischen Zeit handelte, sind bereits mehrere Gelehrte gekom-
men, die in den von Ramses III. geschilderten und illustrierten Ereig-
nissen eine griechische Invasion in Ägypten sehen wollen, die kurz
nach dem Fall Trojas stattgefunden habe: präziser müßte man diese
Krieger eigentlich als mykenische Griechen und ihre Verbündeten be-
zeichnen, oder, falls man dieser Klassifizierung den Vorzug gibt, auch
als Homerische Griechen, denn der Trojanische Krieg ist von der letz-
ten Generation jener Hellenen geführt worden, deren Anführer Aga-
memnon, der Sohn des Atreus, König von Mykene gewesen ist.
Um die These von der Identifizierung der Denien mit den mykeni-
schen Griechen zu stützen, hat man argumentiert, der Begriff »Denien«
(Dnn) stünde für Danaer (ein homerischer Begriff für die Griechen aus
archaischer Zeit). Einige Texte bringen sie jedoch mit der syrischen
Küste in Verbindung, andere mit Zypern. Ich neige allerdings dazu,
die »Inselvölker«, die Denien, mit den Athenern zu identifizieren, denn
d und t ist in der ägyptischen Sprache ein und derselbe Buchstabe.
Der Ausdruck »Inselvölker« weist ebenfalls auf den ägäischen
Raum hin, zu dem in einem umfassenderen Sinne auch Zypern, Kreta,
Sizilien und auch der Peloponnes gehören, denn seit der Antike hat
man den südlichen Teil Griechenlands – unterhalb des Isthmos von
Korinth –, also den Peloponnes, als eine Insel bezeichnet; die Ebene
von Argos (die Argolis), sowie Sparta, Arkadien und Achaia (die Kü-
stenlandschaft im nördlichen Peloponnes) wurden als Teile einer Insel
angesehen; und in der Tat handelt es sich bei dem schmalen Isthmos
von Korinth nur um eine Art Brücke zwischen dem kontinentalen
Griechenland und dem Peloponnes (der Insel des Pelops).
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Die hebräischen Propheten Jesaja, Jeremia und Hesekiel haben in
der Regel das ägäische Archipel und die hellenische Welt ganz allge-
mein als die »Inseln« bezeichnet. »Höret mir zu, ihr Inseln, und ihr
Völker in der Ferne, merket auf!« (Jesaja, 49: l)1. »Allen Königen zu
Tyrus, allen Königen zu Sidon, den Königen auf den Inseln jenseits des
Meeres.« (Jeremia, 25:22).2
Der Begriff »Die Seevölker« ist eine allgemeine Bezeichnung für ein
Konglomerat von Stämmen oder für ein Bündnis mehrerer Völker;
Ramses III. führt die Namen der verschiedenen Völker an, die unter
der oben genannten allgemeinen Bezeichnung zusammengefaßt wer-
den: Tjkr, Skis, Trs, Wss und Srdn. Es ist verschiedentlich versucht
worden, diese Volksstämme zu identifizieren. Bei den Tjekern kann es
sich um die Teukrier bzw. Griechen handeln, die sich im fünften Jahr-
hundert in Dor, einer Stadt der Tjeker, niedergelassen haben. Die Sche-
kelesch kommen möglicherweise aus Sagalassos in Kleinasien. Die
Teresch kommen vermutlich aus Tarsos oder Tyros. Die We-schesch
stammen möglicherweise aus Assos, Iasos oder Issos in Kleinasien. Die
Sardan kennen wir bereits als Söldner der Pharaonen aus der 19. Dy-
nastie, Sethos und Ramses II. Aufgrund der phonetischen Gegebenhei-
ten des Namens (Sardan) schlossen einige Gelehrte auf eine Herkunft
aus Sardinien, andere auf eine Herkunft aus Sardis, der Hauptstadt
von Lydien im Westen Kleinasiens. Das lydische Königreich datiert
allerdings aus dem 8. und späteren Jahrhunderten.3
Bei der Erörterung der Sardan, die unter den Pharaonen der 19. Dy-
nastie als Söldner dienten, kann ich aufgrund von unabhängigen Quel-
len zeigen, daß dieses Volk mit dem Volk von Sardis zu identifizieren
ist.
Wichtig ist die Feststellung, daß die Provinz, die Pharnabazos un-
terstellt war, »Tjaij Drajahja« genannt wurde oder »Diejenigen [oder
die Leute] von der See« = »Die Seevölker«. Diese Satrapie befand sich
in Kleinasien, und sie umfaßte offensichtlich genau das gleiche Gebiet
1 Siehe auch Jesaja 59:18; 60: 9; 66 :19.
2 Siehe auch Jeremia 31 :10, Hesekiel 27:35 und Zephania 2:11.
3 Hanfmann, der Ausgrabungen in Sardis vornahm, entdeckte dort eine Mauer, die
den Mauern von Troja VI ähnelte, und er argumentierte, daß der Ursprung von Sardis
bis ins 13. Jahrhundert zurückreicht. Sollte das Argument nicht umgekehrt und Troja
VI ins 8. Jahrhundert plaziert werden?
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wie das Land der »Seevölker« bei Ramses III.
Eine Inschrift gleich nach einem der Reliefs von Medinet Habu, auf
dem eine Gruppe von Gefangenen in der Kleidung der Pereset darge-
stellt ist,
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