Die Seevölker
identifiziert diese als Tjeker (Tjkr); eine andere derartige
Gruppe wird durch die sie begleitenden Hieroglyphen als Denien
identifiziert. Eine dritte Gruppe – die größte von ihnen – in gleicher
Kopf- und Körperbekleidung wird als Pereset bezeichnet.4 Daraus kön-
nen wir erkennen, daß Soldaten und Matrosen aus den persischen Sa-
trapien in der kaiserlichen Armee von Artaxerxes II. auf die gleiche
Weise gekleidet waren wie die persischen Krieger. Bei ihnen handelte
es sich um ausgehobene Soldaten, bei den Soldaten mit den Horn-
Helmen jedoch um Söldner.
Es hat ganz den Anschein, als sei seit der Reise Herodots nach
Ägypten um die Mitte des fünften Jahrhunderts die Bezeichnung
»Teukrier« damals für die Bevölkerung der Westküste in Kleinasien
ganz allgemein oder doch möglicherweise für eine bestimmte Gruppe
davon üblich gewesen. Die Tjeker tauchen auch als Seesoldaten in der
Geschichte von Wenamun auf – einem Thema, das weiter unten in die-
sem Buch noch erörtert wird.
Der Gesichtstyp der Soldaten mit den Hornhelmen auf den Reliefs
von Ramses III. erinnert sehr stark an denjenigen der Griechen zur Zeit
des Perikles, und auch das ist festgestellt worden. »Der europäische,
genauer gesagt, griechische Typ ist sehr sichtbar: das Gesicht ähnelt
stark demjenigen eines wohlbekannten Kopfes eines jungen Mannes
aus dem 6. bis 5. vorchristlichen Jahrhundert im Akropolis-Museum in
Athen.«5 Der Kunstexperte, der auf diese Weise einen Krieger aus ei-
nem Relief in Medinet Habu beschrieb, das um –1190 datiert wird, hat-
te nicht die Absicht, daraus irgendwelche Schlußfolgerungen hinsicht-
lich der Regierungszeit Ramses' III. zu ziehen; er akzeptierte die eta-
blierte Chronologie, nach der zwischen der Entstehung von zwei ähn-
lichen Modellen rund siebenhundert Jahre vergangen sein müssen.
Es gibt jedoch einen Unterschied in der Gesichtsdarstellung zwi-
schen den griechischen Modellen des fünften oder irgendeines anderen
4 Trude Dothan: The Philistines and Their Material Culture (in hebräischer Sprache), Jerusalem 1967.
5 Cambridge Ancient History, Bildband, C. T. Seltman, Hrsg. (1927), S. 152.
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ihm vorausgegangenen Jahrhunderts und den Seevölkern. Die Seevöl-
ker sind, wie die Pereset, bartlos dargestellt. Die erhalten gebliebene
griechische Kunst beweist, daß seit grauer Vorzeit die griechischen
Männer Bärte getragen haben, und daß sie erst seit dem späten fünften
oder seit dem vierten Jahrhundert ihr Gesicht zu rasieren begannen.
Die aus mykenischer Zeit stammenden Vasen sind häufig mit mensch-
lichen Figuren aus gemaltem Ton geschmückt; hier sind die männ-
lichen Figuren immer mit Bart dargestellt. Von den griechischen
Künstlern des siebenten und späterer Jahrhunderte wurden die home-
rischen Helden – mit der Ausnahme von Achilleus – stets bärtig darge-
stellt: es war schließlich gerade Achilleus, der sich, um der Teilnahme
am Trojanischen Krieg zu entgehen, als Mädchen ausgegeben hatte
und unter den Jungfrauen am Hof des Lykomedes, des Königs von
Skyros, leben konnte, bis er von Odysseus entdeckt wurde, der ihm
Waffen zeigte, wobei sich Achilleus durch das Gefallen, das er an ih-
nen fand, selbst verriet. Unter Perikles trugen die Griechen Bärte. Das
gilt für die erwachsenen Männer; die Epheben, Jünglinge zur Zeit ihres
ersten Bartflaums, wie diejenigen, die auf dem Parthenonfries abgebil-
det sind, wurden natürlich bartlos dargestellt. Bei den Kriegern der
Seevölker handelt es sich aber nicht um junge Epheben, die gerade in
die Armee eingetreten waren, sondern um ausgewachsene Männer, die
sich rasieren zur Gewohnheit gemacht hatten.
Wie bereits erwähnt, hat Alexander die orientalische militärische
Gewohnheit des Rasierens übernommen, als die Makedonier durch
Kleinasien marschierten. Daher darf man erwarten, daß die verschie-
denen ethnischen Gruppen in Kleinasien und die sich dort aufhalten-
den Griechen bereits an das bartlose Gesicht gewohnt waren. Das Auf-
tauchen von bartlosen griechischen Soldaten auf den Reliefs von Me-
dinet Habu, die in das frühe 12. Jahrhundert datiert werden, also in die
Spätzeit des mykenischen Zeitalters – vermutlicherweise in die Zeit
der Irrfahrten des Odysseus –, muß daher als ein Anachronismus an-
gesehen werden. Allein diese Tatsache genügt, um ernsthafte Zweifel
an der akzeptierten Auffassung aufkommen zu lassen, es habe sich bei
den Seevölkern um
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