Die Seevölker
Beginn seiner Regierungszeit bereitete er eine militärische
Expedition dazu vor. Ein Jahr, bevor Artaxerxes Ochus den Thron von
Persien bestieg, kam in Ägypten Teos (Ramses IV.) auf den Thron,
nachdem er seinen älteren Bruder aus der Thronfolge entfernt hatte.
Alarmiert durch die Möglichkeit eines Krieges gegen den persischen
König, schickte Teos eine Aufforderung an König Agesilaos von Spar-
ta, ihm – gegen Bezahlung – Beistand zu leisten. Der alte Krieger stand
damals bereits kurz vor seinem 80. Geburtstag.
Agesilaos akzeptierte die Rolle eines Söldners und segelte nach
Ägypten. Plutarch, der seine Werke vierhundert Jahre später schrieb,
berichtet, daß seiner Meinung nach, und vermutlich auch nach Mei-
nung der Zeitgenossen des Agesilaos, diese Handlungsweise den fort-
geschrittenen Jahren des Mannes nicht angemessen sei, der mehr als
drei Jahrzehnte »der bedeutendste und einflußreichste aller Hellenen
gewesen war«. Aber Xenophon, der Agesilaos persönlich kannte,
brachte dessen Motive zur Rechtfertigung seiner Handlungsweise vor.
Agesilaos war ein scharfsinniger Charakterkenner. Xenophon be-
richtet uns: »Er hatte die Angewohnheit, mit allen möglichen Arten
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von Menschen Kontakt aufzunehmen, aber nur die guten erhielten
Zugang zu seinem engsten Freundeskreis … Wenn immer er hörte, wie
jemand andere Menschen lobte oder tadelte, war er der Ansicht, daß er
auf diese Weise ebensoviel Einblick in den Charakter der Kritiker er-
hielt wie in den derjenigen Person, der diese Kritik galt … Verleumder
haßte er mehr als Diebe.«1
Dieser vielgerühmte Krieger und Menschenführer konnte zwangs-
läufig nur einen ungünstigen Eindruck auf die Ägypter machen, die
mit der Mißachtung der Spartaner für jede Art von Pomp und öffentli-
chem Zeremoniell nicht vertraut waren. Agesilaos war außerdem alles
andere als eine stattliche Erscheinung:
»Die Natur hatte diesem Mann wie eine Gönnerin zwar alle Gaben
des Geistes in reichem Maß zugeteilt, ihn aber gleichsam böswillig in
der Bildung seines Körpers benachteiligt, denn er war von unansehnli-
cher Gestalt und hinkte auf einem Fuß. Dies bewirkte eine gewisse
Häßlichkeit, und die, welche ihn nicht kannten, verachteten ihn auf
den äußeren Anblick hin. Derartiges passierte ihm, als er mit 80 Jahren
nach Ägypten zur Unterstützung des Königs Teos geschickt wurde
und sich am Meeresufer mit den Seinen zur Ruhe legte, ohne ein Dach
über dem Kopf zu benötigen. Sein Lager bestand aus Stroh, das man
auf dem Boden gebreitet hatte, wobei er sich mit einem Fell zudeckte,
und seine Kleidung unterschied sich an Einfachheit und Kümmerlich-
keit nicht von der seiner Begleiter, so daß man an ihr keinen König
erkennen, ja, sie allesamt für recht armselige Gesellen halten konnte.
Als nun die dortigen königlichen Statthalter von seiner Ankunft Kunde
erhielten, sandten sie ihm Geschenke aller Art. Man fragte, wer hier
der König sei, und wollte es kaum glauben, daß dieser unter den ande-
ren auf dem Boden liege.« Als Agesilaos von den ihm angebotenen
Dingen einige ausgewählt hatte und die anderen wieder zurück-
bringen ließ, »verachteten ihn die Barbaren noch mehr, meinten sie
doch, er habe die einfachen Geschenke nur deshalb vorgezogen, weil
er den Wert der anderen nicht kenne.«2
Auch in Plutarchs Bericht von der Landung des Agesilaos in Ägyp-
1 Xenophon: Agesilaos, nach der Übersetzung von E. C. Marchant (Loeb Classical Library).
2 Cornelius Nepos: Agesilaos, Übersetzung von Gerhard Wirth.
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ten ist von dem ungünstigen Eindruck die Rede, den der Spartaner
wegen seiner kleinen Statur, seiner Kleidung und seines Verhaltens auf
die Ägypter machte:
»Sobald er in Ägypten angelangt war, begaben sich die königlichen
Offiziere und Beamten an Bord seines Schiffs, um ihm die Aufwartung
zu machen. Auch die übrigen Ägypter waren wegen des Ruhms und
Namens des Agesilaos voller Erwartung und Sehnsucht und liefen in
großer Menge zusammen, um ihn zu sehen. Als sie aber statt alles
Glanzes und Pompes nur einen alten, von Körper kleinen und ausge-
mergelten Mann, in einen schlechten gemeinen Mantel gehüllt, am
Ufer im Grase liegen sahen, konnten sie sich nicht enthalten, über ihn
zu spotten und zu lachen. Einige riefen sogar: ›Das geht ja wie in der
Fabel, ein Berg begann zu kreißen und brachte ein Mäuschen zur
Welt.‹«3
Von Pharao Teos sind keine historischen Dokumente
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