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Die Seherin der Kelten

Die Seherin der Kelten

Titel: Die Seherin der Kelten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Manda Scott
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sie aufgehoben, für eine kleine Feier, wenn ich endlich wieder stehen und zwei deiner Schwertstreiche parieren könnte.« Unterdessen durchforstete Bellos bereits seine Taschen. Schließlich sagte er: »Hier - fang!«
    Das war ein gar nicht mal so übler Wurf für einen blinden Jungen, und ein gar nicht mal so übler Fang für einen Mann, der die ganze Nacht über wach geblieben war. Der Keks wurde auf seinem kurzen Flug durch das Herz der Flammen lediglich ganz schwach versengt, und wenn überhaupt, dann machte ihn das sogar noch schmackhafter.
    »Gibt es davon noch mehr?«, fragte Valerius und erwiderte dann, als Bellos nickend einen einzelnen Finger hob: »Leg ihn neben das Feuer, damit er warm wird. Ich glaube, irgendwo müsste hier auch noch etwas Honig übrig sein.« Mit einem Mal bestand die Welt aus nichts anderem als aus einer kleinen Leckerei, an die er sich noch voller Freude von seiner Kindheit her erinnerte und die man im ersten Licht der Morgensonne verzehrte und anschließend mit frischem Flusswasser hinunterspülte.
    Plötzlich wieder nachdenklich geworden, sagte Valerius: »Ich verstehe nur nicht, warum Macha nicht mit den anderen Geistern durch das Feuer gekommen ist. Zehn Jahre lang hatte sie mich jede Nacht in meinen Träumen verfolgt, und auch den Großteil der Tage hindurch. Warum bleibt sie mir ausgerechnet dann, wenn ich sie brauche, fern?«
    »Vielleicht gerade deshalb, weil du sie brauchst? Mir jedenfalls scheint es nicht so, als ob die Heimsuchungen deiner Mutter dazu bestimmt gewesen wären, dir in Zeiten der Not zu helfen.«
    »Nein. Aber sie hatte mich auch nicht getötet oder andere dazu getrieben, mich zu töten. Und es gab Zeiten, da hätte sich ihr dazu durchaus die Gelegenheit geboten.«
    Valerius lag auf dem Bauch, den Kopf auf den Unterarm gelegt, und starrte in das Feuer hinein. »Wenn das Keks-Mädchen dir ein wenig zur Hand gehen würde, könnte ich nach Hibernia reisen, um dort mac Calma zu finden.«
    »Wenn du mir nur zwei Tage zum Lernen gibst, dann weiß ich auch selbst, wo die Dinge in der Kate stehen, und wäre gar nicht erst auf anderer Leute Hilfe angewiesen. Ich schaffe es bis zur Abortgrube und wieder zurück, und es ist genug Essen da für einen ganzen Monat, vorausgesetzt, du hast in der Nacht, während ich geschlafen habe, nicht schon wieder alles aufgefuttert.«
    Das war ein schwacher Versuch zu scherzen. Valerius ging einfach darüber hinweg. »Nein. Ich kann dich nicht allein lassen. Was ist, wenn du wieder stürzen solltest?«
    »Dann werde ich vielleicht auch noch taub?« Bellos verlagerte sein Gewicht auf die Seite und setzte sich auf. Er starrte in jene Richtung, von der er annahm, dass Valerius dort säße. Dann sagte er sehr leise: »Du musst mich verlassen, Julius. Lieber möchte ich hier allein zurechtkommen und darf in der Zeit dann wenigstens hoffen, als wenn ich den gesamten Frühling hindurch gemeinsam mit dir darauf warte, dass endlich mac Calma wiederkommt, und wir täglich deine und meine Götter darum bitten, endlich wieder seine Stimme hören zu dürfen. Ich glaube nicht, dass ich dazu noch die Kraft habe.«
     
    Bellos besaß jedoch mehr Kraft, als sie beide für möglich gehalten hätten, sowohl körperliche Kraft als auch mentale. Valerius blieb noch einen Tag und war dem Jungen bei dessen Übungsversuchen behilflich. Am Ende des Tages konnte Bellos sich eine Mahlzeit zubereiten, ohne sich dabei in die Finger zu schneiden, und er hatte Valerius bewiesen, dass er sowohl einen Krug finden konnte, als sich auch zum Strom hinunterzuschleppen vermochte, um den Krug dort zu füllen.
    Mit dem Einsetzen der Abenddämmerung erschien das Haferkeks-Mädchen und brachte einen zerlegten Hasen mit. Valerius entfernte sich, um nach den Pferden zu sehen, und ließ Bellos somit allein, damit dieser sich mit dem Mädchen unterhalten konnte. Als er zurückkehrte, stellte er fest, dass Bellos mehr Farbe in den Wangen hatte als zu jedem anderen Zeitpunkt seit seinem Sturz, und auch sein Lächeln schien nicht mehr ganz so gezwungen. Auf dem Feuer köchelte ein kleiner Topf, und bis zum Fluss hinunter war die windstille Luft erfüllt von dem Duft von geschmortem Hasenfleisch und wildem Knoblauch.
    Nach Einbruch der Dunkelheit, als es schließlich nichts mehr zu üben, zu klären oder zu putzen gab, setzten die beiden sich zum Abendessen zusammen. »Ich habe ihr gesagt«, berichtete Bellos, »dass du bei Tagesanbruch verschwunden sein würdest und bis zum Vollmond

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