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Die Seherin der Kelten

Die Seherin der Kelten

Titel: Die Seherin der Kelten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Manda Scott
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hindurchpasste, nicht jedoch ein Pferd. Valerius hatte gerade seine eine Schulter hindurchgeschoben und streckte die Hand nach dem Wallach aus, als eine Stimme hinter ihm fragte: »Als du träumtest, wessen Götter hattest du da angerufen, deine oder meine?«
    Er träumte also immer noch; das Feuer war bloß eine Illusion gewesen, genauso wie das Wasser des Flusses und das raue Gras unter seinen Füßen. In diesem Traum aber besaß er immerhin eine gewisse Kontrolle über sein eigenes Tun, was angenehm war. Er drängte sich noch weiter durch die Hecke und erreichte schließlich den Wallach, wärmte seine Hände an einem samtweichen Maul, das nichts anderes war als ein Produkt seines eigenen Geistes. Das Tier schien zwar genauso leibhaftig wie im richtigen Leben, doch andererseits wirken Träume ja immer so. Erst im Wachzustand erkennt man jene logischen Lücken, die die Träume als irreal entlarven.
    »Valerius, antworte mir«, erklang mac Calmas Stimme. »Es ist wichtig.«
    Diese Stimme war wirklich bezwingend. Ohne es zu wollen, entgegnete Valerius: »Ich habe keine Götter. Einst habe ich Mithras gedient, jetzt jedoch nicht mehr. Ich verließ ihn, als man mich aus den Legionen verbannte. Und die Götter der Stämme haben mich schon vor langer Zeit verlassen und üben Rache an mir, wann immer sie nur die Gelegenheit dazu bekommen. Ich habe also keinen von ihnen namentlich angerufen, sondern einfach nur meine Not deutlich gemacht.«
    »So. Und dann überrascht es dich, dass keiner von ihnen zu dir kam? Hast du in deinem Leben denn wirklich erst so wenig gelernt?«
    »Du klingst wie meine Mutter. Auch ihr Geist verachtet mich. Bist du nun also ebenfalls tot, dass du so mit mir zu sprechen wagst?«
    »Wohl kaum. Und ich verachte dich auch nicht. Vielmehr bist du es, der mich hasst. Hast du denn den Schlüssel zu Bellos’ Genesung gefunden?«
    Im Traumzustand gab es eine Ehrlichkeit, wie sie im Wachen nicht immer möglich war. »Nein«, antwortete Valerius. »Aber ich habe herausgefunden, dass ich nicht mehr länger von dir abhängig sein möchte, um diesen Schlüssel zu finden. Und mir fällt auf, dass du mir auch noch nicht gesagt hast, warum du mich eigentlich nach Mona gebracht hast. Falls es deshalb war, damit ich lerne, zu träumen oder andere zu heilen, so hast du bisher jedenfalls noch nicht versucht, mich irgendetwas davon zu lehren. Andererseits habe ich dich ja auch noch nicht darum ersucht, irgendetwas davon erlernen zu dürfen. Und ich erinnere mich, dass die Großmütter einmal gesagt haben, dass ein Träumer erst darum bitten muss, ehe man ihn das Träumen lehrt. Letzte Nacht bat ich die namenlosen Götter darum. Heute erbitte ich es von dir.«
    »Danke.« Die Hecke erzitterte, und mitten im Licht des Mondes stand plötzlich Luain mac Calma und streichelte dem Wallach den Hals, der im Übrigen keineswegs erstaunt darüber zu sein schien, mac Calma zu sehen.
    Valerius versuchte, mit der Hand durch das Pferd zu fahren, was ihm jedoch misslang. Er starrte auf seine Füße hinab und wackelte mit den Zehen, doch die blieben seine Zehen, verwandelten sich weder in Hufe noch in Vogelklauen, und es wuchsen ihnen auch nicht plötzlich die Krallen eines Hundes. Selbsthass begann sich in Valerius’ Magengrube zu einem Klumpen zusammenzuballen. Er hob den Kopf und fragte in bitterem Ton: »Du hast mich geweckt. Warum?«
    Mit mildem Tadel schüttelte mac Calma den Kopf. »Um dich davor zu bewahren, bei Tagesanbruch an Bord des Schiffes zu gehen und dich auf die Suche nach mir zu machen. Ich dachte, ich könnte dir wenigstens einmal das mit diesen Reisen stets verbundene Erlebnis der Seekrankheit ersparen. Und es gibt Männer, die wären mir dafür durchaus dankbar.«
    »Du hättest mich ja auch durch eine simple Berührung wecken können. Dazu hätte es nicht dieses Traums bedurft.«
    »Doch es gibt Dinge, die du nur im Traum zu glauben bereit bist, nicht aber im Wachzustand. Glaubst du mir also jetzt, dass ich dein Vater bin?«
    »Darüber haben wir uns schon einmal unterhalten. Es war Eburovic, der mich aufgezogen hat. Und das ist alles, was zählt.«
    »Nein. Du bist der Sohn zweier Träumer, und genau das ist es, was jetzt zählt. Du wurdest geboren, um einmal ein Träumer zu werden. Du wurdest benannt nach dem weißen Mond und der ihn umfangenden schwarzen Nacht. Bán von den Eceni, du hast die letzten zwanzig Jahre damit verbracht, vor deinem Geburtsrecht davonzulaufen. Doch genau das biete ich dir jetzt an,

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