Die Seherin der Kelten
wertvolle Stute von den irischen Zuchtherden kaufte sowie einen Jagdhund, der bereits Rotwild in vollem Lauf erlegt hatte, und schließlich in den Osten reiste, zurück in das Dorf, in dem sie geboren worden war und wo ihre Schwester eine zweijährige Tochter von einem Mann namens Eburovic hatte.
Macha war unübersehbar schwanger, als sie dort ankam. Eburovic liebte Macha nicht, und auch Macha liebte Eburovic nicht, doch sie kannten einander bereits seit ihrer Kindheit, und zwischen ihnen bestand eine große Zuneigung. Die Vaterrolle, die er für ihr Kind übernehmen würde, sollte nur ein vorübergehender Dienst sein, so lange, bis Luain mac Calma aus Gallien zurückkehrte. Weder die Götter noch die Träumer sagten den beiden, dass es annähernd vierzehn Jahre dauern sollte, bis der Vorsitzende des Ältestenrats wieder zurückkehrte.
Mit dem Näherrücken des Zeitpunkts von Machas Niederkunft begann ihr Bild in Valerius’ Traum zu verschwimmen. Jetzt war Breaca zu sehen, ein kleines Mädchen mit Haar von der Farbe eines Fuchses im Winter. Sie lernte gerade mit Hilfe von Graine, ihrer Mutter, laufen. Doch es war Eburovic - groß, stämmig und gutherzig, dessen Äußeres so gar nichts von dem Träumer verriet, der er im Inneren war -, der lächelnd die letzten, dünn miteinander verwobenen Augenblicke von Valerius’ Traum füllte.
Viel zu abrupt riss es Valerius aus dem Schlaf. Mit offenen Augen lag er da und starrte auf das zitternde Licht an der Rückwand der Kate. Das Feuer brannte hinter ihm und wärmte ihm den Rücken. Er starrte wie benommen auf die Steinwand, und dann sah er ganz plötzlich Luain mac Calmas Gesicht vor sich. Es war ganz nass, sein Schiff war gekentert, und wie Seetang hing ihm das schwarze Haar auf die Schultern herab.
Traurig lächelte der Mann ihn an. »Eburovic hat dich aufgezogen. Das war allein der Wille der Götter, nicht der meine. Und Eburovic hat seine Sache gut gemacht, ganz gleich, wie sehr ich diese Fügung auch bedauere. Aber dennoch bist du mein Sohn, nicht der seine. Du magst zwar vor den Tatsachen davonrennen, aber letztlich kannst auch du nicht bestreiten, wer dich gezeugt hat. Ich biete dir nun das Geschenk deines Geburtsrechts. Wirst du es annehmen?«
Schon in der Vergangenheit hatte Valerius oftmals gedacht, er wäre wach, hatte dann aber feststellen müssen, dass dem keineswegs so war. In Rom hatte er schließlich beobachtet, wie Dubornos versuchte, sich selbst zu beweisen, dass er sich gerade in einem Traum befände, indem er versuchte, mit der Hand durch die Wand zu stoßen. Und diese Technik der Träumer, die in ihrer Vorgehensweise ganz einfach war und mit hoher Wahrscheinlichkeit stets funktionierte, hatte Valerius sich gemerkt. Er setzte sich also auf und legte einen Handballen auf die Kohlen des Feuers. Dort ließ er seine Hand liegen, bis der Schmerz ihm den Atem stocken ließ und sich einige Schichten geröteter Haut abzupellen begannen.
Der Schmerz fegte sowohl mac Calmas Stimme als auch dessen Bild aus Valerius’ Kopf, doch der Traum hielt ihn noch immer umfangen, war von der gleichen dichten Struktur wie sämtliche seiner Erinnerungen und schien genauso real. Valerius fluchte leise, nahm seinen Umhang und schlich an dem schlafenden Bellos vorbei in die Nacht hinaus.
Die Nacht war still und warm und wurde erhellt von einem bernsteinfarbenen Halbmond. In den Wäldern hinter dem Großen Versammlungshaus der Träumer schrien Eulen, und dicht neben Valerius flüsterte in fremden Sprachen der Fluss. Die kleinen Tiere der Nacht raschelten und trippelten durch die alten, verdorrten Blätter und das frische Frühlingsgras. Vom Fuß des Hügels wieherte der kastanienbraune Wallach ihm einen leisen Gruß entgegen.
Den Weg, den Valerius nun nahm, hatte er nicht willentlich eingeschlagen. Doch er wollte sich noch einmal mit letzter Sicherheit beweisen, dass er auch wirklich wach war; dann könnte er wieder ins Bett zurückkehren, um eine letzte Nacht in einer Kate zu schlafen, die er mittlerweile als die seine zu betrachten begonnen hatte. Barfuß watete er durch den Strom, ließ das kalte Wasser um seine Knöchel spülen und wandte sich anschließend nach links, wanderte zwischen den Bäumen hindurch und auf die Pferdeweide zu, während er bereits durch das Loch im Saum seines Umhangs tastete, in dem er das Getreide für die Tiere aufzubewahren pflegte.
Die Weißdornhecke, die die Koppel umschloss, hatte eine kleine Lücke, die etwa so breit war, dass ein Mann
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