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Die Seherin der Kelten

Die Seherin der Kelten

Titel: Die Seherin der Kelten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Manda Scott
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glitt über die Bankreihen, suchte nach Cunomar und fand ihn schließlich. Das daraufhin auf seinem Gesicht erscheinende Lächeln war ein sehr privates, und in ihm lag alles - von der Bitte um Vergebung bis hin zu dem Jubel eines Kriegers, der das erste Mal in einer Schlacht getötet hatte. Doch über all diesem lagen Liebe und eine unendliche Trauer.
    Es bestand kein Zweifel, das war Eneit.

XVII
     
    Breaca erhob sich von ihrem Platz, doch sogleich schlangen Cygfas kühle Finger sich um ihr Handgelenk und hielten sie zurück. Hinter ihr ertönte Corvus’ leise, eindringliche Stimme und ermahnte sie auf Eceni: »Nein. Denk nach. Es gibt nichts, was du jetzt noch tun könntest.« Sogar der Gouverneur, der rechts von Breaca saß, wandte sich zu ihr um und fragte: »Kennt Ihr ihn?«
    »Euer Ehren, das ist Eneit nic Lanis. Er ist ein Eceni, der Sohn einer Freundin.«
    Zwischen dem Gouverneur und Breaca waren die ersten Anfänge einer Freundschaft aufgekeimt, das hatte sie gespürt. Und der Ausdruck, der nun in seinen Augen lag, bestätigte dies noch einmal. Es folgte ein Moment der Unschlüssigkeit, dann erwiderte er: »Das tut mir Leid. Doch der Gerechtigkeit sind die Bande der Freundschaft unbekannt. Auch Marcellus hatte Menschen, die ihn liebten. Der Junge muss sterben, das steht außer Frage.«
    Ursprünglich war der Gouverneur Diplomat gewesen, erst danach General. Und in diesem letzten Satz verbarg sich immerhin ein kleiner Hoffnungsschimmer. Denn er hatte nicht gesagt: »Und er muss gekreuzigt werden«, obwohl dies doch eindeutig so geplant gewesen war.
    Unterdessen erklärte Graine, die auf Cunomars Schoß saß, in der Sprache Monas: »Das ist mein Traum. Aus seinem Tod kann ebenso auch der deine oder der ihre erwachsen. Die Entscheidung liegt bei dir.« Sie sagte dies nur ganz leichthin und in genau dem gleichen Tonfall, in dem sie ihrem Bruder zuvor noch von ihrem Pferd berichtet hatte, das sie einem netten Mann zum Geschenk gemacht habe. Die zarten Andeutungen eines Träumers darüber, was kommen könnte, teilten sich Cunomar somit auf einem ganz anderen Weg mit, lagen hinter den Worten.
    Links von Breaca ertönte Cygfas Stimme: »Der Gouverneur hat doch gerade so getan, als respektiere er unsere Gesetze. Biete ihm die Speerprüfung der Bärinnenkrieger an. Die Speere liegen doch schon dazu bereit und warten nur darauf. Die Großmutter hat dich doch nicht ohne guten Grund gebeten, sie anzufertigen. Genau das hier könnte jetzt jener Grund sein.«
    Vertrauen , hatte Airmid erwidert, als Breaca ihr von den Anweisungen der älteren Großmutter berichtet hatte, vertrau den Göttern und dir selbst. Du wirst wissen, was das Richtige ist, wenn der Zeitpunkt gekommen ist. Mehr kann ich dir im Augenblick auch nicht sagen.
    Ein kalter Schauder überlief Breaca, und der Atem der Götter verlieh ihren Sinnen eine zusätzliche Dimension. Aus der längst vergessenen, weit zurückliegenden Vergangenheit ihrer gemeinsamen Jugend klang wie ein Echo Airmids Stimme herauf: Wir träumten von ihrem Sohn. Er wurde getötet von einem Mitglied der Stämme und einem Mitglied der Legionen, und die, die es hätten verhindern können, schauten einfach nur zu und taten nichts. Breaca erhob sich und trat hinaus auf die freie Fläche zwischen den Sitzreihen und der Bühne.
    Tagos war nie auf Mona gewesen und besaß von den dort gesprochenen Dialekten lediglich ein sehr rudimentäres Verständnis, und als der Gouverneur sich zu ihm hinüberbeugte und ihm eine Frage stellte, konnte er diese nicht beantworten. Inmitten des glatt geharkten Sandes vor den Sitzreihen und im Blickfeld des gesamten im Theater versammelten Publikums erhob an seiner statt nun Breaca die Stimme.
    »Meine Töchter haben mir gerade etwas vorgeschlagen. Da wir heute Zeugen des gerechten Richterspruchs Roms werden durften, sollte, um das Gleichgewicht herzustellen, dieser junge Mann sich dem gleichsam gerechten Richterspruch der Stämme beugen müssen. Denn unsere Gesetze ähneln denen Roms, wenngleich ihre Verbindung mit dem römischen Recht sicherlich beispiellos ist. Die alte Speerprüfung der Bärinnenkrieger entspricht der Prüfung, welcher sich unsere Jugendlichen unterziehen müssen, wenn sie zum Krieger reifen möchten, obwohl zwischen den beiden Arten von Prüfungen natürlich einige wichtige Unterschiede bestehen. In der Kriegerprüfung muss der Jugendliche ein Ziel aus Stroh treffen. In der Prüfung der Bärinnenkrieger hingegen ist das Ziel ein lebender

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