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Die Seherin der Kelten

Die Seherin der Kelten

Titel: Die Seherin der Kelten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Manda Scott
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Krieger. Es ist also eine Mutprobe sowohl für jene, die den Speer werfen, als auch für den, der ausgewählt wurde, um zu sterben. Ich denke, eine solche Prüfung wäre hier das Mittel der Wahl.«
    Ebenso wie der Gouverneur war auch Breaca es gewohnt, zu tausenden von Zuhörern und unter weitaus weniger gnädigen Umständen zu sprechen. Und ebenso wie zuvor die Stimme des Gouverneurs drangen auch ihre Worte bis zu den obersten Sitzreihen hinauf, allein dass diesmal der Eindruck entstand, dass Breaca allein zum Gouverneur spräche. Alle anderen schienen diese private Unterhaltung lediglich zu belauschen. Im gesamten Theater begannen die Erwachsenen, mit den Füßen zu scharren und zu hüsteln. Und laut erklang ein Raunen, als die jüngeren Kinder ihren Eltern stets die gleiche Frage zuflüsterten.
    Nach einem Augenblick des Schweigens, in dem der Gouverneur eine ganze Reihe von Möglichkeiten erwog und gleich darauf wieder verwarf, stellte schließlich auch er diese Frage: »Erklärt Ihr mir, wie eine solche Speerprüfung aussieht?«
    »Die Speerprüfung ist eine Mutprobe, die für gewöhnlich am Vorabend einer Schlacht stattfindet. Zunächst werden der Göttin Briga, die über den Ausgang des Krieges entscheidet, drei Speere geweiht. Je ein Krieger der beiden miteinander im Konflikt liegenden Seiten wirft einen Speer. Derjenige, dessen Speer dichter am Herzen des zum Sterben Bestimmten eindringt, gilt als der, der ihn getötet hat, und folglich darf er auch den letzten Speer werfen.«
    Fast unmerklich hob sich eine ergraute Augenbraue. »Auf einen toten Krieger? Ich hätte nicht gedacht, dass die Stämme sich leeren Symbolen hingeben, wenn euer aller Leben ansonsten doch allein nach Sinn und Zweck ausgerichtet ist.«
    »Natürlich nicht. Nach der ursprünglichen Tradition dieser Prüfung wird der dritte Speer gegen jenen Krieger gerichtet, dessen Wurf der schlechtere von beiden war und der somit nicht den Sieg errungen hat. Die Krieger wissen von Anfang an, dass ihrer beider Leben auf dem Spiel stehen, dass sie so gut werfen müssen, wie sie nur können, denn die Zielsicherheit des jeweils anderen ist ihnen nicht bekannt. Und allein in den Händen der Götter liegt es, die Flugbahn eines Speeres zu beeinflussen oder den bereits verurteilten Krieger stolpern oder fallen zu lassen, so dass letztlich selbst ein hervorragend geschleuderter Speer noch das Ziel verfehlen kann.«
    »Ist der Verurteilte denn nicht gefesselt?«
    »Nein. Er, oder sie, muss den Speeren in aufrechter Haltung entgegenschreiten. Damit wird zum einen der Mut eines Kriegers erprobt; zum anderen bekommt er dadurch die Möglichkeit, den Göttern Ehre zu erweisen.«
    Der Gouverneur starrte sie so aufmerksam an, wie er sich an diesem Tage noch keiner anderen Sache gewidmet hatte. Breaca fuhr fort: »Das ist ein Weg, um unter der Aufopferung eines Minimums an Menschenleben den Ausgang einer Schlacht zu bestimmen. Der Stamm des Kriegers, der noch lebt, wird dann als der Stamm betrachtet, der die ganze Schlacht gewonnen hat.«
    Mit weicher Stimme widersprach der Gouverneur: »Meine Verehrteste, Euer Volk und das meine führen keinen Krieg mehr miteinander.«
    »Das tun wir in der Tat nicht. Die Schlachten wurden schon vor langer Zeit geschlagen, und ihr Ausgang steht außer Frage. Und wie gesagt, nach unseren Riten findet eine solche Speerprüfung nur im Vorfeld eines Krieges statt. Darum denke ich, in diesem besonderen Fall könnten wir um die Ehre streiten und um unsere Götter zu feiern - sowohl die Euren als auch die meinen. Der dritte Speer könnte dann, wie Ihr eben bereits vorgeschlagen habt, symbolisch ebenfalls in den Körper des Gefangenen versenkt werden. Auf irgendeine Art muss nämlich auch dieser Speer an der Tötung teilhaben, ansonsten wird Briga entehrt.«
    »Ich verstehe. Und eine solch erhabene Göttin sollten wir zweifellos nicht entehren.« Er nickte, sein Blick allein auf Breaca gerichtet. »Dann darf man es wohl einen glücklichen Zufall nennen, dass wir gerade drei Speere zur Hand haben. Würden diese Speere denn denen ähneln, die bei dieser Art von Speerprüfung üblicherweise verwendet werden?«
    »Sie wären mit ihnen identisch. Denn dies ist die zweite Verwendungsmöglichkeit für die Reiherspeere der Kaledonier.«
    »Und ist das alles lediglich Zufall?«
    Sie führten ihre Unterhaltung nicht mehr länger für die Menge. »Euer Gnaden«, erwiderte Breaca, »unter den Augen der Götter gibt es keine Zufälle, aber ich schwöre

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