Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Seherin der Kelten

Die Seherin der Kelten

Titel: Die Seherin der Kelten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Manda Scott
Vom Netzwerk:
zumindest in Teilen. Breaca konnte nun also nicht mehr in eine andere Sprache überwechseln, ohne unnötiges Misstrauen zu erregen.
    Cunomar spürte ihre Entscheidung, noch ehe sie Breaca selbst bewusst war. Aus größter Verzweiflung heraus ließ er schließlich auch noch den letzten Rest seines Stolzes fahren und flehte: »Mutter, bitte! Es ist sowohl sein Leben als auch das meine.«
    Keine Schlacht war sie jemals härter angekommen. Breaca hielt dem Blick ihres Sohnes Stand und entgegnete in dem vollen Bewusstsein, was ihn diese Antwort kosten würde: »Nein.«
    »Mutter! Es ist doch Eneit! Du kannst doch nicht zulassen, dass diese gottlosen, Bullen verehrenden Söhne von...«
    Tagos unterbrach Cunomars Rede - mit physischer Gewalt. Wenn auch in niemandes anderen Augen, so war der König der Eceni doch zumindest nach römischem Recht Cunomars Vater und somit auch verantwortlich für dessen Betragen. Er presste Cunomar eine Hand auf den Mund, noch härter und grimmiger als vor ihm Graine, und mit weniger Liebe.
    »Euer Ehren? Wenn ich einen Vorschlag unterbreiten dürfte?« Die Stimme, die nun von den Bankreihen erschallte, errang sofort die Aufmerksamkeit aller, bis auf Cunomars unmittelbare Familie. Valerius Corvus, Präfekt der Hilfstruppen, drängte sich an seinen Gefolgsleuten vorbei und trat auf den geharkten Sand hinunter, von wo aus er dem Gouverneur mit schneidiger Geste salutierte. Cremeweiß strahlte sein Kopfverband im Sonnenlicht, die Bandage an seinem Bein dagegen lag im Schatten und wirkte gräulich.
    »Euer Ehren«, hob Corvus an, »wenn ich das richtig verstanden habe, wären in den Tagen der Ahnen die Träumer der Bärinnenkrieger diejenigen gewesen, welche die Männer und Frauen bestimmten, die an einer solchen Kriegerprüfung teilnehmen sollten. Heutzutage ist den Träumern die Ausübung ihres Handwerks ja untersagt. Dennoch müssen wir in jedem Fall die Ehre Roms und des Kaisers aufrechterhalten. Die Schicklichkeit gebietet es, dass wir auch in dieser Speerzeremonie unser Bestes geben. Allerdings sind die Reiherspeere der Kaledonier auf einen anderen Schwerpunkt austariert als die Speere der Legionen. Der Verlauf und die Länge ihrer Flugbahn weichen von denen der römischen Speere ab, und die Federn, die von den Speerhälsen herabhängen, lassen sie selbst dem kleinsten Windhauch gegenüber äußerst empfindlich reagieren. Doch wie Ihr wisst, habe ich vor der Invasion einen gesamten Winter und einen gesamten Frühling in diesem Land verbracht und besitze somit eine gewisse Übung in der Handhabung der Kampfspeere der Eceni, die diesen hier ähnlich sind. Ich möchte also, als einer, der befähigt ist, die Ehre Roms aufrechtzuerhalten, meine Dienste in dieser Speerprüfung anbieten.«
    Während seiner Ansprache hatte Breaca Corvus warnende Blicke zugeworfen. Und er hatte sie auch zur Kenntnis genommen, jedoch beschlossen, ihre Warnung zu ignorieren.
    Der Gouverneur legte die Handflächen aneinander und tippte mit den Fingerspitzen gegen seine Lippen. Wäre er ein Krieger gewesen, hätte man vermuten können, dass er gerade Rat von Briga erbat und dieser gewährt wurde.
    Er entgegnete also: »Vielen Dank für Euer Angebot und die Argumente, die dieses Angebot begleiteten. Den ersten Teil Eurer Erläuterungen, der die Tatsache betrifft, dass diese Speerprüfung eine Prüfung der Ehre ist und zweifellos stattfinden sollte, kann ich vorbehaltlos akzeptieren. Ebenso stimme ich damit überein, dass sich in dieser Prüfung einige Gefahren verbergen, sowohl jene, von denen wir bereits gehört haben, als auch Gefahren, von denen noch nicht gesprochen wurde. Was ich allerdings nicht annehmen werde, das ist Eure zweite Vorgabe. Ihr seid verletzt, und als solcher seid Ihr eben gerade nicht dafür geeignet, Rom zu repräsentieren.«
    Hätte man Corvus ins Gesicht geschlagen, so hätte er nicht entsetzter dreinblicken können. »Euer Ehren...«
    »Nein. Bei aller gebührenden Achtung, Präfekt, aber Ihr seid wie der Junge; begeistert und willens, aber blind gegenüber Euren eigenen Unzulänglichkeiten. Der Junge ist zu jung und noch unerprobt, er hat noch nie in einer Schlacht getötet, und seine Zuneigung zu dem Gefangenen ist nur allzu offensichtlich. Ihr dagegen besitzt Erfahrung, Können und Lebensjahre genug für jegliche Art von Herausforderung, etwas anderes würde ich nie behaupten. Und doch ist erst weniger als ein Monat vergangen, seit Eure Verletzungen Euch beinahe das Leben gekostet hätten. Noch

Weitere Kostenlose Bücher