Die Seherin der Kelten
grinste ein wenig bedauernd, so als ob sie zwar eine Wette verloren, stattdessen aber ihren Willen bekommen hätte, und arrangierte ihre Stücke sorgfältig neben den Messern ihrer Mutter.
»Hat Airmid gemeint, ich würde dich nicht hier bleiben lassen?«, wollte Breaca wissen.
»Nein. Das hat Ardacos gesagt. Er hat mit mir gewettet, dass ich wieder bei seinen Bratgruben sein würde, noch bevor das Feilschen losginge.«
»Was hast du gewonnen?«
Graine grinste und war in diesem kurzen Moment der älteren Großmutter wie aus dem Gesicht geschnitten. »Einen Morgen lang mit dir zusammen Geschäfte machen?«, erwiderte sie.
Ihre geschäftliche Verbindung währte erheblich länger als nur einen Vormittag. Drei Tage lang lehrte Breaca von den Eceni, Metallschmiedin und Speermacherin, ihre Tochter, wie man den Wert einer Ware auf den ersten Blick veranschlagte; wie man mit den braunhäutigen Männern und Frauen aus Iberien und Gallien verhandelte, die ihr Emaillegeschirr und ihre Roheisenbarren feilboten; was man bei den Verhandlungen mit den verbittert dreinblickenden Latinern beachten musste, die exquisit gefertigten Goldschmuck und gegerbtes Leder mitgebracht hatten, eingefärbt in Farben, wie man sie in Britannien noch nie gesehen hatte; wie man mit den im Norden lebenden Belgern und den germanischen Stammesangehörigen feilschte, die Pferde zum Verkauf anboten, welche lange nicht so gut waren wie die der Eceni, die dafür aber gute Jagdhunde hatten und im Austausch dafür silberne Spiegel haben wollten oder die von Breaca geschmiedeten Messer mit dem Heft aus Ulmenholz und dem Zeichen des Hasen auf der Klinge.
Graine war ein außergewöhnliches Verkaufstalent. Diese Entdeckung versetzte sie beide gleichermaßen in Erstaunen. Als hätte sie im Getümmel der Schlacht ganz unerwartet einen neuen Kampfgefährten gefunden, fühlte Breaca, wie eine Tür sich schloss, durch die zu lange der Wind gezogen hatte, und wie sie ein plötzliches Gefühl der Sicherheit überkam, von dem sie ganz vergessen hatte, dass sie es vermisst hatte.
Auch hatte sie vergessen, wie bezaubernd schön ihre Tochter war; in der Abgeschiedenheit der Siedlung war es leicht, sie bloß als eine von vielen Heranwachsenden zu sehen, als eines jener schlaksigen, ungelenken Geschöpfe, die ständig eine neue, längere Tunika brauchten. Die Händlerinnen und Händler dagegen, die gänzlich unvorbereitet auf Graine trafen, waren von der Frische ihrer Züge und dem Ozean ihrer Augen mindestens ebenso sehr eingenommen wie von den kunstvoll gearbeiteten Speeren und Broschen und dem wieder aufgefüllten Vorrat an Bernsteinamuletten, die auf dem Verkaufstisch ihrer Mutter ausgebreitet lagen.
Innerhalb kürzester Zeit lernte Graine zu erkennen, wen man mit einem bloßen Lächeln herumkriegen konnte. In diesen Fällen schenkte sie ihrer Mutter stets einen flehentlichen Seitenblick, mit dem sie um die Erlaubnis bat, die Verhandlungen zum - angeblich - allerersten Mal allein führen zu dürfen. Und bei jedem dieser allerersten Male knieten der Mann oder die Frau, ganz gleich, wie fremdländisch sie auch sein mochten, ganz gleich, wie andersartig ihre Sprache, vor dem Tisch mit den Waren nieder und unterbreiteten übertrieben hohe Angebote für einen in Bernstein geschnitzten Hirsch oder, später, für eine Speerspitze oder ein Messer mit einem Heft aus Horn. Sie alle machten bei Graine - solange Stone nur auf Abstand blieb - mit Sicherheit ganz bewusst ein schlechtes Geschäft; freuten sich dafür beim Weggehen jedoch über das angenehme Gefühl, Graine zum Lächeln gebracht zu haben.
Gegen Ende des dritten Tages hatte Breaca ihren gesamten Vorrat an Messern und Speerspitzen eingetauscht, und auf dem Platz hinter ihrem nun leeren Verkaufstisch türmten sich - streng bewacht von Stone - Säcke mit Salz und gemälzter Gerste, Blöcke aus Bienenwachs und aus Roheisen, gegerbte Häute und winzige Platten belgischer Emaillemasse in Blau und Rot und Gelb, Harnische und bronzenes Pferdegeschirr, sowie versilberte Spiegel, die sich gut als Geschenk für die im Exil lebenden Eceni-Träumer eignen würden, falls diese denn jemals von Mona zurückkehrten. Beim Schlafplatz, bewacht von Airmid, warteten außerdem noch drei neue Jagdhunde und ein zusammenpassendes Paar einjähriger kastanienbrauner Hengstfohlen, von denen mindestens eines das Zeug dazu hatte, gute Schlachtrösser zu zeugen.
Graine wiederum besaß nun zwei neue Gürtel mit Bronzeschnallen und eine
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