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Die Seherin der Kelten

Die Seherin der Kelten

Titel: Die Seherin der Kelten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Manda Scott
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Erkenntnis, gefangen zu sein in einem winzigen Raum, und noch dazu mit einem ganzen Jahresvorrat an Getreide über dem Kopf, schlichtweg ihren Geist zerrüttet hätte.
    Die Wirklichkeit indes war deutlich verstörender, doch das entdeckte er erst, als die Soldaten, die ihn festgenommen hatten, die Tür zu genau jener Inquisitionskammer öffneten und ihn mit dem Gesicht voran in den Kies warfen. Als Offizier bei den Legionen hatte er diesen Ort schon zu viele Male gesehen, als dass er sie noch hätte zählen können. Genauso vertraut, wie ihm seine eigenen Unterkünfte gewesen waren, so vertraut waren ihm auch die hier vorhandenen Gerüche nach altem Blut, Erbrochenem und schalem Urin sowie die nach verdorbenem Fleisch stinkenden Ausdünstungen der Todesangst und der Kapitulation.
    Damals hatte ihn vor alledem noch sein Rang als Offizier geschützt und die fest zusammengefügten Mauern seines Geistes. Heute aber war er kein Offizier mehr, und was ihm zuvor noch verschlossen gewesen war, hatte Nemain ihm geöffnet. Als er mit dem Gesicht über den Boden rutschte, spürte er - als wären es seine ureigenen Empfindungen - die Angst eines jeden Träumers, eines jeden Mannes und einer jeden Frau der Stämme, die je an diesem Ort gelebt hatten und die je an diesem Ort gestorben waren.
    Anfangs hatten einige noch etwas mehr Kraft besessen, andere waren weniger stark gewesen. Manche hatten anderen Göttern gedient als Nemain. Und manch einer hatte die Schleusen seines Geistes ein wenig geschickter zu versperren gewusst als seine Leidensgefährten - so dass die Wucht seines Zusammenbruchs jene, die nach ihm hier eintraten, etwas weniger hart traf.
    Doch alle, ganz gleich, wie gut sie auch vorbereitet gewesen sein mochten, hatten dem Gewicht des Grauens letztlich auch ihren Anteil hinzugefügt, und Valerius war lediglich der Letzte in einer langen Reihe. Wie ein Vorschlaghammer schlug die Last ihrer Tode auf ihn ein, und er schrie laut auf, erfüllt von all den von seinen Vorgängern erlittenen Qualen, während die Wachen ihn erneut wahllos in die Gedärme traten.
    Doch auf gewisse Weise waren genau diese Fußtritte seine Rettung. Denn nur durch sie stürzte er nun keuchend in seine eigene, ganz persönliche Hölle hinab, war dem Ersticken nahe. Und kurzzeitig war sein Kampf um Luft einfach zu verzweifelt und zu überwältigend, als dass ihn zusätzlich auch die vielen anderen Eindrücke noch hätten erreichen können. Er krallte sich in den Kiesboden, versuchte krampfhaft, wenigstens an den grundlegendsten von mac Calmas Lehren festzuhalten, und schaffte es schließlich tatsächlich, in all dem Chaos jenen einen Ort zu finden, an dem er nur noch Valerius war. Und diesen Ort löste er von allem anderen ab.
    Als die Wachen ihm schließlich die Ketten abnahmen, hörten sie mit den Fußtritten auf. Valerius lag bäuchlings auf dem Boden, die Wange verschmiert von seinem Speichel, seinen Tränen, von Blut und Staub, und verzweifelt kämpfte er darum, all dies in einen logischen Zusammenhang zu fügen.
    Und eine Erkenntnis hob sich schließlich über alles andere hinaus: Es war die Tatsache, dass sie ihn überhaupt hierher gebracht hatten, in diese Kammer. Jeden dienenden Offizier, selbst einen Legionär, hätten sie doch zumindest noch in den Arrestkammern im Südflügel der Baracken untergebracht. Sie mussten Valerius also für einen Stammesangehörigen halten, wussten ganz offenbar nicht, wer er früher einmal gewesen war. Und an diesem Gedanken klammerte er sich fest wie an einem kleinen Holzscheit mitten im Ozean seines eigenen Untergangs.
    Die Kammer war alles andere als geräumig; die vier Wachen passten kaum gemeinsam hinein. Sie rollten Valerius auf den Rücken, und somit konnte er sie auch zum ersten Mal richtig sehen, zumindest mit seinem linken Auge, das noch nicht zugeschwollen war. Sie waren allesamt junge Männer, und sie waren ihm allesamt fremd. Keiner von ihnen hatte bereits zu Scapulas Zeiten seinen Dienst begonnen, als der Dekurio der Ersten thrakischen Kavallerie seine Einheit in einem Sturmangriff über den Fluss geführt hatte, der schließlich Caradocs endgültige Niederlage besiegelt hatte.
    Doch auch, wenn sie dabei gewesen wären: Ohne sein Pferd hätten sie Valerius mit Sicherheit nicht wiedererkannt. Das Krähenpferd war sein Erkennungszeichen gewesen, ganz gleich, wie oft er auch den Stier auf seine Fahne gemalt haben mochte. Er hatte den Hengst namens Krähe geliebt. Der Hengst wiederum hatte ihn

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