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Die Seherin der Kelten

Die Seherin der Kelten

Titel: Die Seherin der Kelten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Manda Scott
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auch Longinus’ Bestürzung und wie er gleich darauf blitzschnell überlegte, wie sich seine Gedanken förmlich überschlugen.
    Die übrigen Anwesenden sahen nur, wie der groß gewachsene, vielfach dekorierte Offizier der thrakischen Kavallerie den Helm von seinem hirschroten Haar riss, ihn mit einem Grinsen dem Gefangenen entgegenschleuderte und dabei hoch erfreut auf Thrakisch fluchte und dann noch einmal auf Gallisch sowie auf Lateinisch. Anschließend schlug er dem jungen Waffenmeister der Zwanzigsten Legion auf die Schulter und fragte ihn in jenem Tonfall, in dem ein Offizier in Anwesenheit des Pöbels mit einem anderen Offizier zu sprechen pflegte: »Hast du diesen Idioten eigentlich mal gefragt, wer er überhaupt ist, oder war er zu beschäftigt mit seinem Gefluche im Namen Mithras’, um dir das zu sagen?«
    Das war ein ausgesprochener Glückstreffer. Valerius ließ den Kavalleriehelm über seinen Kopf gleiten, und obwohl die blutig geprügelten Partien seines Schädels hart gegen das Metall zu pochen schienen, war er doch auch dankbar für diesen Schutz.
    Und nun erkannte er auch die acht draußen wartenden Männer wieder. Der Stallmeister, der am Kopf der Truppe stand, hob seinen Daumen zu jenem Zeichen, das im gesamten Kaiserreich das Zeichen für das Überleben des Gladiators war; zugleich aber war es unter den Männern der ersten Schwadron der Ala Prima Thracum das Zeichen für ihren letzten Dekurio gewesen, jenen, der das verrückte, nicht zu reitende Krähenpferd geritten hatte und der sie stets sowohl mit der Verwegenheit, aber auch dem Glück eines wahren Draufgängers in die Schlacht geführt hatte. Etwas weiter hinten stand ein korpulenter Mann, dem drei seiner vier oberen Schneidezähne fehlten - er schenkte Valerius ein nicht sonderlich ansprechendes Grinsen und zwinkerte ihm dabei aufmunternd zu.
    Die Hilfstruppe pflegte nicht die Tradition einer Ehrengarde, so wie die Stämme sie für ihre Anführer aufstellten. Doch derlei Dinge konnten auch auf andere Art und Weise zum Ausdruck kommen. Und diese acht Männer hier waren in fast genau der Rangordnung, wie sie nun vor Valerius standen, allesamt seine Ehrengarde gewesen, damals, während der letzten vier Jahre seines Dienstes bei den Legionen. Er kannte sie alle; kannte ihre Namen, die Namen ihrer Geliebten, die Namen ihrer legitimen, aber auch ihrer illegitimen Kinder. Er kannte ihre Pferde und wusste, wie die Männer ritten, kannte ihren Mut - oder auch den Mangel daran - in einer Schlacht, wusste, wem man vertrauen konnte, den linken Flügel einer Linie zu verteidigen, wusste, wer von ihnen nachts am besten mit einer Leine über einen Fluss schwimmen und sie dann festhalten konnte, damit auch der Rest der Truppe ihm folgte.
    Sie alle waren Valerius’ Männer gewesen, und nun dienten sie unter Longinus, jenem wilden thrakischen Reiter, der sowohl in der Schlacht als auch in der Liebe stets mit heiterer Unbekümmertheit sämtliche Risiken missachtete. Es stand außer Frage, dass diese Männer gekommen waren, um Valerius zu befreien; es fragte sich nur, ob er ihnen diesen Versuch wirklich guten Gewissens gestatten durfte.
    Die vier eifrigen jungen Soldaten der Zwanzigsten Legion hatten geglaubt, sie hätten einen silurischen Krieger gefangen genommen. Hätte man sie mit Valerius allein gelassen, hätten sie ihn wohl auch dahingehend verhört und wären am Ende vielleicht zu der Erkenntnis gekommen, dass er offenbar Nemain huldigte und einige Zeit auf Mona gelebt hatte. Was sie jedoch nicht wussten, und nun womöglich auch nie mehr herausbekommen würden, war, dass sie statt des Kriegers einen ehemaligen Kavallerieoffizier gefangen genommen hatten, der von Kaiser Nero als Verräter verurteilt worden war und dessen Tod in Rom schlimmer, wesentlich schlimmer sein würde als alles, was ihm die hiesigen Inquisitoren anzutun vermochten - und dass das gleiche Schicksal auch all jene treffen würde, die ihm an irgendeiner Station seines Weges behilflich gewesen waren.
    Irgendjemand begann ganz in der Nähe übermäßig laut zu sprechen. Longinus lehnte sich gegen den Türpfosten, um die Tür offen zu halten, und sprach dabei ununterbrochen nur noch von Valerius - sprach zu Valerius - und erzählte ihm damit alles, was er wissen musste.
    »... das Problem daran ist nur, dass er so lange unter den Eingeborenen gelebt hat, dass er sogar vergessen hat, wie sein lateinischer Name lautet. Aber er ist das beste Paar Ohren, das wir jemals in die Stämme haben

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