Die Seherin der Kelten
verneigte sich noch einmal vor dem Schwarzwassersee. Er spürte eine innerliche Reinheit, die ihn geradezu in Hochstimmung versetzte und ihm die anstehende Entscheidung weniger schwer erscheinen ließ. Das Wissen, dass in jenem Raum in seinem Inneren, der allein von seinem Gott erfüllt sein sollte, gleich zwei Götter wohnten, breitete eine Decke des Friedens über Valerius aus, die nicht allein von Nemain stammte.
Er verweilte noch einen Augenblick bei diesem neuen Gedanken. Dann sprach er: »Danke. Stets bin ich dankbar für das Geschenk deiner Gegenwart, und ich werde dich auch weiterhin ehren, was auch passieren mag.«
Das Echo der Stimme seines Gottes hüllte ihn ein: Triff deine Entscheidung mit Bedacht, Valerius.
Als Valerius aus dem Tunnel heraus ins Freie kam, fühlte er sich wie wiedergeboren, wiedergeboren in ein Gefühl der reinen Freude hinein. Und eigentlich hatte er gedacht, dass er dieses Erlebnis bereits nach seiner Zeit im Ahnenhügel von Hibernia würde genießen dürfen; damals jedoch war es noch ausgeblieben.
Nun aber blendeten ihn die späte Morgensonne und das Glitzern jenes Sees unter dem Wasserfall. Das Tosen des Wassers und der Schrei des Bussards schienen seine Ohren zu überfluten, schienen sein Bewusstsein zu durchtränken. Die geradezu beißend kalte Luft und das noch kältere Wasser schlugen ihm ins Gesicht, und tief nahm er beide in sich auf, trank sie geradezu gierig, selbst als die hinter ihm lauernden Männer urplötzlich aus ihrem Versteck hervorstürzten, seine Arme packten, ihm Stricke um die Handgelenke schnürten und ihn zweimal hart in den Bauch traten, so dass Valerius zu Boden stürzte und krampfhaft nach Luft rang. Noch immer war ein Teil von ihm umfangen von dem Glanz und der Verzückung des Morgens und verstand nicht, was gerade geschah.
XXII
Als Valerius gefangen genommen wurde, verließ der Hund ihn. Und er kehrte auch nicht zurück, als die vier Männer, eine halbe Zeltbelegung der Zwanzigsten Legion, Valerius erst bewusstlos schlugen, ihn dann in den See unterhalb des Wasserfalls schleiften, damit er wieder zu sich käme, und ihn schließlich zwischen sich einzwängten, zwei vor Valerius und zwei hinter ihm, um ihn - mit kurzen Prügelpausen - den Berg hinabzuführen.
Während der seltenen Gelegenheiten, in denen Valerius einmal sprechen konnte, rief er dem Hund zu, er solle sich auf die Suche nach mac Calma machen, denn er wollte das Tier schützen. Als ob Menschen einem gottgesandten Hund etwas anhaben könnten. Die restliche Zeit verlor sich Valerius in einem Meer aus glutrotem, immer heftiger werdendem Schmerz, so dass er am Ende nicht mehr länger an seinem Bewusstsein festhielt. Es war so viel leichter, sich einfach im Dunkel des Vergessens zu verstecken und darauf zu vertrauen, dass sein Körper die Fußtritte so gut wie irgend möglich zu überstehen wusste.
Es war unnötig zu fragen, wohin sie nun wohl marschierten; schon oft genug hatte er solche Trupps selbst angeführt. Ironischerweise kam er schließlich in genau dem Augenblick wieder zu sich, als die Männer die Tür zu der Inquisitionskammer aufstießen, die unterhalb der Lagerräume des Quartiermeisters und in der südwestlichen Ecke der Soldatenunterkünfte lag; das Quietschen der ungeölten Scharniere rief in Valerius einfach zu viele Erinnerungen wach. Und somit war es ihm auch unmöglich, abermals in die Bewusstlosigkeit hinabzutauchen.
Der Raum war aus grob behauener Eiche gezimmert, mit einem Boden aus Kies und einem einzigen, vergitterten Fenster, um etwas Licht und Luft hereinzulassen. Unmittelbar über diesem Verschlag lag der Getreidespeicher der Festung, und über dem wiederum befand sich eine Bodenkammer, in der Ersatzpferdegeschirre und Harnische aufbewahrt wurden. Im Grunde genommen war dieser Raum auch nicht schlimmer als irgendein anderes Gefängnis, und dennoch hatten die Träumer der Stämme, die man zum Verhör hierher gebracht hatte, diese Kammer stets noch mehr gefürchtet als die Inquisitoren und deren Eisen.
Bis zum Ende seines Dienstes in der Festung hatte Valerius von mindestens dreien von ihnen erfahren, die allein schon aufgrund der Tatsache zusammengebrochen wären, dass man sie eine Nacht lang in diesen Raum gesperrt hatte. Valerius hatte damals stets geglaubt, der Grund dafür wäre das Getreidelager gewesen; er dachte, dass das Leben in einem Rundhaus die Träumer einfach nicht auf die Fertigkeiten der römischen Pioniere vorbereitet hätte und dass die
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