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Die Seherin der Kelten

Die Seherin der Kelten

Titel: Die Seherin der Kelten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Manda Scott
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anderen Seite, stellte sich neben sie und vollendete damit das Bild der Familie. Er und Graine lehnten sich scheinbar Halt suchend an Breaca, während sie sie tatsächlich jedoch mit vereinten Kräften stützten.
    So standen sie, zusammengeschweißt in ihrer gegenseitigen Abhängigkeit, bis auch das letzte Pferd der Sklavenhändler ein zu winziger Punkt in der Ferne war, als dass man es noch hätte erkennen können. Graine löste sich als Erste wieder aus der Gruppe. »Die Ältere Großmutter wünscht dir viel Erfolg«, sagte sie.
    Breaca presste die Handballen auf die Augen. Die feinen Steinchen der Kalkfarbe gruben sich in ihre Haut und halfen doch nicht, die Müdigkeit zu vertreiben. Vor lauter Schlafmangel lallte sie geradezu: »Bedanke dich bei ihr in meinem Namen. Später werde ich das auch selbst noch tun. Jetzt muss ich mich aber erst einmal waschen und dann schlafen.«
    Tagos packte sie am Arm. Auf merkwürdig harsche, förmliche Art sagte er: »Mein Bett ist bereit. Ich würde mich geehrt fühlen, wenn du darin schlafen möchtest.«
    Breaca glaubte, sie schliefe schon, ganz zweifellos musste es so sein, denn sie sank bereits in völlig zusammenhanglose Träume hinab. Seit dem Ende ihres ersten Winters in Tagos’ Siedlung hatte dieser nicht mehr das Bett mit ihr geteilt. Denn Breaca schlief stets in ihrem eigenen Bett in Airmids Hütte am westlichen Ende des Geländes. Allein die Aussicht, sich in dieses Bett fallen zu lassen, in jenem Raum und in genau der Gesellschaft, hatte sie durch den letzten halben Tag der langsamen und bedächtigen Entscheidungsfindung des Rats der Stammesältesten getragen.
    Breaca starrte Tagos an. Er schien vollkommen ernst, was sie überraschte. Seine Augen schauten offen und dunkel, und er erwiderte ihren Blick, ohne auch nur zu blinzeln. Schließlich begriff sie, dass sie womöglich doch noch nicht schlief und dass die Welt offenbar nicht mehr so war, wie sie sie zurückgelassen hatte. »Ich glaube, ich habe dich nicht ganz richtig verstanden«, erwiderte sie.
    »Ich denke, du hast mich durchaus verstanden. Ich lade dich ein, in meinem Gemach zu schlafen, welches früher auch einmal das deine war. Nur, um zu schlafen. Bitte. Heute ist das von Bedeutung.«
    »Airmid ist bei einer Frau der Trinovanter, die vor drei Tagen ein Kind geboren hat und jetzt im Milchfieber liegt«, erklärte Graine. »Vor heute Abend wird sie nicht zurückkehren. Ihr Feuer ist fast ganz heruntergebrannt, und in ihrer Hütte ist es kalt.«
    »Wirklich?« Die Morgendämmerung war heraufgezogen, doch die aufgehende Sonne hatte die Wolken noch nicht durchdrungen. Und falls dies überhaupt möglich war, so schien der Morgen noch kälter zu sein als die Nacht. Breaca zitterte vor Kälte, ohne dass ihr dies zuvor aufgefallen wäre. Der Frost biss geradezu in ihre Füße. Und die Luft roch nach Schnee und nach Stürmen.
    Tagos wartete. Auch er musste sich dringend wieder bewegen. Vor lauter Kälte und Verzweiflung verfärbten sich die oberen Ränder seiner Ohren bereits bläulich. Und dies, wenn auch kein anderes Argument, führte Breaca schließlich zu ihrer Entscheidung. »Brennt in deinem Schlafgemach bereits das Feuer?«, fragte sie.
    »Natürlich. Es lodert hoch und heiß.«
    »Dann nehme ich dein Angebot an. Danke.«
     
    Tagos’ Schlafgemach hatte sich verändert, seit sie es das letzte Mal betreten hatte. Die Münztruhen waren, bis auf eine, alle verschwunden, ebenso die Ziergegenstände, die auf ihnen gelegen hatten. Über dem Bett hing ein Schwert; keines, das von ihr geschmiedet worden wäre, aber dennoch eine gute Arbeit. Hell hob sich das Eisen von der verrußten Holzwand ab, und den Knauf der Waffe schmückte ein aus Bronze gefertigter Maskaron, der den Kopf einer Füchsin darstellte. Breaca hatte nicht gewusst, dass Tagos noch irgendeine Waffe besaß, geschweige denn, dass er es wagen würde, diese offen zur Schau zu stellen. Das römische Waffenverbot kannte keine Ausnahmen, und die Strafe wäre für einen König die gleiche, wie sie es für Eneit gewesen war, einen dreizehnjährigen Jungen, den man bei einem Grabhügel mit einem Schwert gefasst hatte, von dem er doch noch nicht einmal gewusst hatte, wie er es handhaben sollte.
    Sie ließ einen Finger über die Klinge gleiten, um ihren Schliff zu prüfen, und stellte fest, dass die Schneide Kampfschärfe besaß. »Hat der Gouverneur dir eine Ausnahmebewilligung gegeben, dass du so etwas besitzen darfst?«
    »Nein. Der Gouverneur hat sich im

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