Die Seherin der Kelten
danach verlangen würde, und es vorsorglich von der Koppel hergeholt. Breaca mühte sich damit ab, den großen bronzenen Schild auf ihrem Rücken zurechtzuschieben, und dachte unterdessen darüber nach, ob sie tatsächlich noch auf ihr Pferd steigen und die Anstrengung unternehmen sollte, zu Tagos’ Siedlung zurückzureiten. Andererseits aber waren dort Graine und Airmid und all die Annehmlichkeiten. Wenn sie also mit Bedacht ritt, sollte sie etwa kurz vor Einbruch der Dunkelheit dort ankommen; wenn sie unvernünftig schnell ritt, käme sie sogar noch eher an; schlief sie dagegen und ließ die Stute sich allein den Weg durch die Dämmerung suchen, so würde sie die Siedlung erst spät erreichen.
»Danke. Ich bin froh, dass ich...« Breaca wandte sich um, blickte überrascht in Richtung des Pfades. »Das ist doch Dubornos...«
Sie kannte sein Pferd; es lahmte auf der linken Vorderhand, wenngleich nicht allzu stark. Und ohnehin hing Dubornos sehr an dem Tier, würde es also niemals ausrangieren. Der Hufschlag, als das Pferd nun in gestrecktem Galopp den Pfad hinaufgetrieben wurde, war also unverwechselbar, selbst mit dem Schnee, der das Geräusch der trommelnden Hufe etwas dämpfte.
Ardacos stellte sich neben sie, und auch Cunomar ließ seine Schädeltrommeln im Stich und gesellte sich zu Breaca, so dass sie alle drei beieinander standen, als Dubornos sein Pferd zügelte und vor ihnen anhielt. Doch er schwang sich nicht vom Rücken seines Tieres hinab, sondern zog es sogleich wieder herum und erklärte: »Die latinischen Sklavenhändler sind in der Siedlung. Tagos hat ihnen Wein sowie Gastrechte angeboten. Aber sie haben schon zweimal mit Graine gesprochen. Airmid hat Graine nun bei sich und bewacht sie, aber wenn die Sklavenhändler nach ihr verlangen sollten, könnte selbst Tagos sie nicht aufhalten.«
Breaca starrte ihn entgeistert an, hörte kaum, was er sagte. »Um sie zu kaufen? Das kann nicht wahr sein. Selbst Tagos würde doch nicht...«
»Nicht, um sie zu kaufen, noch nicht. Aber vielleicht, um ein Angebot zu unterbreiten. Und wenn sie im Frühjahr zurückkehren, werden sie wissen, weswegen sie kommen.«
Breaca saß bereits im Sattel. Der Schlaf, so kurze Zeit zuvor noch ihr einziger Wunsch, war wieder vergessen. »Warte«, sagte Cunomar. »Mein Pferd steht nicht weit von hier. Ich komme mit.«
Breacas Stute hatte sich bereits in Bewegung gesetzt. »Nein. Deine Krieger brauchen dich. Das ist der Preis, wenn man ein Anführer ist, und vor allem ist dies nicht der geeignete Zeitpunkt, um Rom zu verraten, was wir bereits aufgestellt haben. Wenn wir dich brauchen sollten, schicke ich Dubornos noch einmal zu dir zurück.«
Damit folgte sie Dubornos und ritt, wie sie noch niemals zuvor geritten war.
XXV
Der Sklavenhändler, der die Brosche in der Form des springenden Lachses trug, hatte noch niemals zuvor eine Kriegerin der Eceni in ihrer Kampftracht gesehen: mit ihrem Haar seitlich zu einem Zopf geflochten und einen Schild von armlangem Durchmesser über den Rücken geschlungen, einen Speer in der Hand und auf einem Pferd, das ganz dunkel war vor lauter Schweiß.
Doch er gab sein Bestes; lächelte ein wenig verkniffen und war bemüht, seine linke Hand zu verbergen, die das Zeichen zur Abwehr alles Bösen machte, während er mit der Rechten doch bereits hinuntergriff, um vorsichtshalber aus seinem Gürtel das nach Art der Legionen gefertigte Kurzschwert zu ziehen. Die ehemaligen Legionäre, die seine Leibwache bildeten, sahen unterdessen keine Veranlassung, sich noch in dem höflichen Gebaren eines Gastes zu üben; sie zogen ihre Schwerter ganz offen. Und einer von denen, die etwas weiter hinten standen und auf die Wagen aufpassten, beugte sich sogar vor, um rasch die Zügel der Zugpferde zu packen.
Breaca trat auf die Gruppe zu, versuchte unterdessen, wieder zu Atem zu kommen. Es war kurz vor Einbruch der Nacht, und man konnte in dem dämmrigen Licht nicht mehr allzu viel erkennen, dennoch wusste sie, wie sie aussah, und dass sie nicht dem entsprach, was ein Sklavenhändler im Allgemeinen schätzte. Angeführt von Dubornos hatte sie gegen Ende des Ritts einen kürzeren, allerdings auch stärker überwucherten Pfad genommen; Dornen hatten an ihr gerissen, hatten ihr die Arme zerkratzt, woraufhin sich das Blut wiederum mit der weißen Kalkfarbe vermischte, so dass ihre Haut nun mit einem marmorierten Muster in den Farben der Götter überzogen war. Über der Stirn ragte ihr Haar in steifen, weißen
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