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Die Seherin der Kelten

Die Seherin der Kelten

Titel: Die Seherin der Kelten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Manda Scott
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höheren Gipfel, die noch im Morgennebel verborgen lagen. »Wir ließen erst einmal ihre Pferde frei, so wie wir’s immer machen, und Braint war währenddessen auf dem Hang, von wo aus sie das Feldlager beobachtete. Sie gab aber die ganze Zeit über nicht das Zeichen zum Überfall aus dem Hinterhalt, deshalb griffen wir natürlich auch nicht an. Jedenfalls, die Pferde, die wir losließen, waren nicht die besten der Kavallerieeinheit. Die hatten die Soldaten in ihren Zelten versteckt und auch sofort bestiegen, als sie die anderen Tiere davongaloppieren hörten. Aber selbst wenn Braint das Signal gegeben hätte, hätten wir doch unmöglich noch angreifen können; die Soldaten waren einfach zu schnell da. Und dann wartete Braint nicht bei den Weißdornbüschen auf uns, so wie wir es für diesen Fall verabredet hatten. Als wir uns schließlich auf die Suche nach ihr machten, war ihr Pferd zwar noch da, aber sie selbst war verschwunden.«
    Der Junge presste seine Handballen gegeneinander und starrte einen Augenblick lang auf sie hinab. »Bisher haben sie sie noch nirgendwo anders hingebracht«, fuhr er fort. »Sie sind danach geradewegs wieder in ihr Lager zurückgeritten, und dort sind sie immer noch. Limarnos ist noch an Ort und Stelle und beobachtet sie weiterhin. Falls sie aufbrechen und Braint bei ihnen ist, wird er das Heidekraut in Brand stecken, als Signal.«
    Ein Signalfeuer würde von Freund und Feind gleichermaßen gesehen werden, und auch seine Bedeutung würde für beide Seiten klar ersichtlich sein. Als ob er der befehlshabende Offizier wäre und der Junge ein neuer Rekrut, der dringend ein wenig Aufmunterung gebrauchen konnte, sagte Valerius nun: »Das habt ihr gut gemacht. Zu welchem Regiment gehörten die Soldaten der Hilfstruppe? Hast du irgendwo eine Standarte gesehen?«
    Der Katapultschütze war noch zu jung, um die näheren Einzelheiten von Valerius’ Verrat zu kennen. Er runzelte die Stirn, überlegte einen Moment und erklärte dann: »Sie waren Thraker. Der Anführer der Truppe ritt unter der Standarte des Stieres, der ja auch das Zeichen der Ahnen ist, nur dass dieser hier in Rot auf einem grauen Untergrund prangte, der Farbe Monas.«
    »Danke.« Der rote Stier auf grauem Untergrund war früher einmal Valerius’ Zeichen gewesen, und Longinus hatte es beibehalten. Der Kampfhund drückte sich gegen Valerius’ Schenkel, und Valerius legte dem Tier beruhigend eine Hand auf den Kopf.
    Ehe der Schmerz in dem nun einsetzenden Schweigen allzu qualvoll werden konnte, sagte mac Calma ruhig: »Sie wurden von den Besten ihres Fachs ausgebildet, um die Besten ihres Fachs zu sein; deshalb setzt Paulinus nun auch speziell sie ein. Werden sie Braint also selbst verhören?«
    Valerius hob den Kopf und blickte zu den höchsten Gipfeln auf der gegenüberliegenden Seite der Meerenge hinauf. Nach einer Weile erwiderte er: »Nicht, wenn sie sich in der Zeit, seit ich sie damals angeführt habe, nicht bis zur Unkenntlichkeit verändert haben. Longinus würde einer Frau gegenüber niemals gewalttätig werden, außer wenn sie ihn in einer Schlacht angriffe. Unter normalen Umständen würden sie Braint zurück in die Festung bringen, um sie den Inquisitoren zum Verhör zu überlassen. Wenn sie das bis jetzt noch nicht getan haben, dann höchstwahrscheinlich aus dem Grund, weil sie den Befehl haben, sie hier festzuhalten, wo wir einen Befreiungsversuch unternehmen könnten.«
    »Gut. Ich hatte gehofft, dass dem so sein würde. Danke.«
    Ein zweiter Stein hüpfte über das Wasser. Er sprang neun Mal, und die Spritzer seines letzten Aufpralls flogen hoch in die Luft und wurden vom Wind davongetragen, nachdem der Stein bereits in die Tiefe hinabgesunken war. Luain mac Calma, Vorsitzender des Ältestenrats von Mona, schaute schweigend zu, wie Manannans weiße Rösser sich wieder über jener Stelle zusammenschlossen, wo gerade eben noch der Kieselstein versunken war.
    Schließlich schob Luain mac Calma die Hände in die Falten seines Umhangs und wandte sich wieder vom Wasser ab. Er sah Valerius in die Augen, hielt dessen Blick fest, war Nemain und Mithras zugleich und noch etwas anderes, Tiefergehendes, das noch peinigender war.
    »Es scheint ganz so, als wäre uns noch ein kurzer Aufschub vergönnt, eine von den Göttern geschenkte Frist, während der wir handeln können. Der Gouverneur darf auf keinen Fall von der Evakuierung unserer Leute nach Irland erfahren. Es wäre natürlich das Beste, wenn Braint rechtzeitig befreit

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