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Die Seherin der Kelten

Die Seherin der Kelten

Titel: Die Seherin der Kelten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Manda Scott
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zu Ende gesungen hatte, fügte er auf Irisch ein: »Es muss sich zu meiner rechten Seite herumdrehen und einen Schritt vorwärts machen.«
    Madb war nurmehr zu einem sich rasch bewegenden Punkt am Rande seines Gesichtsfeldes zusammengeschrumpft. Ihre Stimme erklang wie eine über das Meer gleitende Woge. »Weiß es, was ein Speer ist?«
    »Als ich es ritt, wusste es das zumindest noch.«
    »Gut. Also schön, du zähnefletschendes Ungeheuer, wollen wir dann mal herausfinden, ob du wirklich all das bist, was sie von dir behaupten? «
    Ihre, von Valerius aus gesehen, nur noch verschwommen wahrnehmbare Bewegung verschmolz mit dem Schrei des Krähenpferdes, als dieses herumwirbelte, sich der neuen Gefahr entgegenstürzte - und Valerius mit sich riss, wie der Wind die Blätter mit sich fortzieht. Wie angesogen von der Kraft des Tieres, fortgerissen von seiner eigenen, ganz auf das Pferd konzentrierten Aufmerksamkeit, sprang Valerius mit einem Riesensatz vorwärts, langte hinauf nach dem Sattelknauf, schwang sich zugleich mit dem sich aufbäumenden Tier empor, auf seinen Rücken, landete schließlich breitbeinig im Sattel und griff mit den Händen bereits nach den Zügeln.
    Doch das Krähenpferd spürte ihn, begriff, dass es an der Nase herumgeführt worden war. Es vergaß Madb. Stattdessen wieherte es schrill, bäumte sich auf, vollführte heftige Bocksprünge und wurde geradezu rasend. Damals, als Valerius das Tier zum ersten Mal ritt, hatte er gesehen, wie ein Mann unter dem Zorn des Hengstes beinahe sein Leben verloren hätte. Nun war das Pferd älter, trainierter und noch wesentlich geübter darin, seine Reiter aus dem Sattel zu werfen. Valerius fühlte, wie die Masse an Muskeln unter ihm explosionsartig zu arbeiten begann, spürte, wie sein eigener Körper verrenkt wurde, wie seine Zähne aufeinander schlugen und Blut aus seiner Zunge spritzte, und wusste, dass, wenn das Tier es wirklich versuchen sollte, es ihn leicht zu Brei zermalmen könnte.
    Das Pferd spürte dies scheinbar ebenfalls und wusste zudem auch noch, wie es sein Vorhaben in die Tat umzusetzen hatte. Es kam also wieder zum Stehen, und es folgte ein kurzer Moment der Ruhe, in dem es sich innerlich zu sammeln schien. Valerius rechnete damit, dass es wieder in Bocksprünge ausbrechen würde, und packte bereits eine Hand voll seiner Mähne, um sich daran festzuklammern. Dann wiederum fühlte er, wie es die Hinterbacken anspannte, und dachte, es würde stattdessen wohl auskeilen. Plötzlich jedoch schien der Boden unter ihm wegzurutschen, und gleichzeitig neigte sich der Himmel auf ihn hinab, denn das Pferd bäumte sich mit einem Mal so hoch auf der Hinterhand auf, dass es gar die Wolken selbst zu berühren schien, so hoch, dass es, wenn es nur gewollt hätte, leicht nach hinten hätte überstürzen und den Mann auf seinem Rücken unter sich hätte zerquetschen können, auch wenn es sich dabei gleich selbst das Rückgrat gebrochen hätte.
    Der Hengst schrie so gellend, wie er bereits geschrien hatte, als Braint sich ihm genähert hatte, so dass man dachte, der Himmel würde zerspringen. Und Valerius, der glaubte, er müsse sterben, schrie mit ihm, ließ die Fluten aufgestauter Emotionen einfach aus sich hervorbrechen, die Fluten eines Lebens voller Schmerzen, voller Enttäuschungen, voller Überschwang und tiefster Verzweiflung; jene Fluten, die niemals austrocknen würden, ganz gleich, wie viele weitere Menschen er in seinen Schlachten noch niedermetzeln mochte, ganz gleich, wie tief er sich noch in seine Träume hineinversenkte und versuchte, dort seinen Göttern zu begegnen.
    Doch der Himmel stürzte nicht auf ihn herab. Das Pferd fiel nicht hintenüber - sie beide wurden also nicht zerquetscht. Und Brigas Vögel, die bereits über ihnen ihre Kreise gezogen hatten, stießen drei krächzende Schreie aus, nahmen aber weder die Seele des Mannes noch die des Pferdes mit sich und flogen schließlich in Richtung Westen wieder davon.
    Der Hengst namens Krähe ließ sich wieder auf die Vorderhufe hinabfallen, stand dann ganz ruhig da und schüttelte den Kopf. Wie betäubt blieb Valerius auf seinem Rücken sitzen, sog Atemzug über Atemzug von der scharfen Gebirgsluft in sich ein, während ihm Tränen über die Wangen hinabrannen, sich in den Vertiefungen seiner Schlüsselbeine sammelten und er doch nicht die geringste Ahnung hatte, warum er eigentlich weinte.
    Langsam wurde ihm bewusst, dass um ihn herum Menschen standen. Gleich vor ihm war Madb, den Speer

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