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Die Seherin der Kelten

Die Seherin der Kelten

Titel: Die Seherin der Kelten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Manda Scott
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hoch aufgerichtet auf dem Krähenpferd und war bereits sicher in jener göttlichen Sphäre aufgehoben, in der Tier und Reiter zu einer Einheit verschmolzen waren. Stürbe Longinus in diesem Augenblick, so würde er sich glücklich preisen. Valerius, der einst an seiner Stelle geritten war, wusste es.
    »Komm schon!«
    Die Lücke schloss sich wieder, Valerius war jedoch noch nicht ganz durch sie hindurchgeprescht. Madb stürmte auf das flatternde Banner zu. Sie war seine Kampfgefährtin; die Ehre verlangte es, dass Valerius ihr folgte. Halbherzig trieb er sein Tier voran.
    Im Kampf sterben die, die nur halbherzig bei der Sache sind, zumeist recht früh. Gleich drei Männer, die Valerius’ Mangel an Aufmerksamkeit bemerkten, spürten, wie er seine Deckung vernachlässigte, und hieben mit ihren Schwertern nach ihm, so dass nur die zeit seines Lebens trainierten Reflexe ihn noch retteten - und Braint, die, befreit von ihren Fesseln, voller Kampfeszorn und einer unaufhaltsamen Flutwelle gleich dahergeritten kam und alles, was sich ihr in den Weg stellte, schlichtweg niedermähte.
    Mit Nydd an ihrer Seite stürmte sie rechter Hand an Valerius vorbei und tötete mit der Rücksichtslosigkeit eines Menschen, der sich nicht länger um Leben oder Liebe scherte. Ihr Ziel war - dies war deutlich zu erkennen - Longinus; jener Mann, der sie gefangen genommen hatte. Noch vor allen anderen wollte sie sein Leben.
    Es gab keine Möglichkeit mehr, sie aufzuhalten. Valerius hatte nur gerade noch Zeit, die Hand an den Mund zu heben und »Longinus!« zu brüllen, so dass der Mann zumindest sah, von welcher Seite aus der Tod ihn ereilte. Und dann waren sie auch schon bei ihm angelangt und gingen gemeinsam auf ihn los, die eine von rechts und die andere von links. Beide Frauen waren mit noch frischen Pferden und neuen Waffen ausgerüstet und kämpften nun gegen einen Mann, der sich keinen von beiden Vorteilen mehr zurechnen durfte und der folglich und zwangsläufig langsamer war, unabhängig davon, wie geschickt er und sein Pferd auch sein mochten.
    Das Krähenpferd hielt sich offenbar für unsterblich. Womit es vielleicht sogar Recht gehabt hätte. Denn Valerius war in diesem Augenblick nicht der Einzige, der innehielt und beobachtete, wie der Hengst sich auf der Hinterhand aufbäumte, um schrill wiehernd auf Braints Pferd zuzustürmen. Der durch Mark und Bein gehende Schrei des Tieres, der pure, ungebremste Hass ließ die Männer und Frauen für einen kurzen Moment in ihren ganz persönlichen, eigenen Kämpfen pausieren.
    Einen Augenblick lag Schweigen über dem Blutbad, lange genug, so dass Valerius beobachten konnte, wie der Hengst namens Krähe sich aufbäumte, zur Seite herumschwenkte und mit seinen Vorderhufen ausschlug und wie Longinus dem Fluss von dessen Bewegungen mit einer solchen Anmut folgte, dass es selbst die Götter in Erstaunen versetzte; das Schweigen herrschte lange genug, so dass Valerius sehen konnte, wie Braint Longinus’ Schwerthieb mit einer Leichtigkeit auswich, die einem geradezu das Herz zerriss, und sogleich zum Gegenschlag ausholte; lange genug, dass Valerius das unverwechselbare Krachen von Eisen auf Kettenpanzerglieder vernehmen konnte sowie das Zersplittern der darunter verborgenen Knochen.
    »Longinus!« Valerius schrie den Namen seines ehemaligen Gefährten, während rings um ihn herum die Schlacht ihren Fortgang nahm. Und der Schrei verlor sich; war nurmehr eine weitere Nuance in dem Chaos von wild durcheinander schreienden Tieren und Kriegern, und es war Valerius auch gar nicht bewusst gewesen, dass er diesen Schrei ausgestoßen hatte, bis Madb ihm einen neuen Schild zuwarf, den sie gerade erst einem sterbenden Krieger entrissen hatte, und rief: »Du kannst ihn haben! Sie können nicht zu seiner Leiche vordringen. Dein verdammter Hengst lässt sie nicht an ihn heran!«
    Wahrlich, vielleicht war das Krähenpferd tatsächlich unsterblich. Doch weder konnte Valerius dies mit Sicherheit sagen, noch hatte er die Kraft, den Gedanken überhaupt weiterzuverfolgen. Er kämpfte nur noch, weil er kämpfen musste, weil es das war, wofür er geboren worden war, weil seine Götter, sowohl Nemain als auch Mithras, dies von ihm verlangten und er noch nicht bereit war, ihnen gegenüberzutreten, während er es nicht geschafft hatte, ihrer Bitte in der gebührenden Form nachzukommen. Er nahm den Tag nur noch wie durch einen Nebel wahr, er schien ihm geradezu geschrumpft zu sein, und Valerius tötete nurmehr ohne Freude,

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