Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Seherin der Kelten

Die Seherin der Kelten

Titel: Die Seherin der Kelten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Manda Scott
Vom Netzwerk:
solltest mit reinkommen.«
    »Das sehe ich genauso.« Longinus klang bereits ganz heiser vor lauter Anspannung. »Wohin das Licht geht, dorthin gehe auch ich. Lass es bloß nicht verlöschen.«
     
    Longinus hatte Recht; der Grabhügel war tatsächlich recht klein. Kriechend zwängte Valerius sich durch eine Öffnung, die selbst für ein Kind schon knapp bemessen gewesen wäre, und dann weiter durch einen Tunnel, der schließlich in eine Kammer mündete, die noch wesentlich kleiner war als jene unterhalb des Ahnentraumhügels auf Hibernia.
    Zuckend tanzte das Licht seiner Kiefernharzflamme über Fels und Knochen und getrockneten Torfboden. Er konnte die Schatten derer spüren, die bereits vor ihm hier gewesen waren: Cunomar, das verzogene Kind; Cygfa, jene Kriegerin, die die Wiedergeburt Caradocs zu sein schien, nur in der Gestalt einer Frau und damit noch Angst einflößender; und seinen, Valerius’, Vater, nicht Luain mac Calma, sondern Eburovic, jenen meisterlichen Waffenschmied der Eceni, in dem Valerius seine ganze Kindheit hindurch seinen eigentlichen Vater gesehen hatte. Noch vor ihnen allen aber und stärker, näher, so nah, dass er sie beinahe berühren konnte, spürte er Breaca.
    Doch sie war nicht hier. Sie konnte nicht hier sein; der Platz in dem kleinen Grabhügel ließ das gar nicht zu. Dennoch war sie hier gewesen und hatte einen Teil ihrer selbst zurückgelassen. Valerius richtete den Blick über die tanzenden Schatten hinaus in die Flamme und ließ ihn dann über all das schweifen, was diese zu berühren schien: den Fels, die alten Gebeine und die Hinterlassenschaften der Mäuse. Und dann, der Anblick blendete ihn geradezu - wieso hatte er sie eigentlich nicht von Anfang an gesehen? -, entdeckte er die fünf Klingen, die auf den in den Fels gehauenen Simsen ruhten.
    Der Druck in seinem Schädel war immens; weder in dem Ahnenhügel in Irland noch in Mithras’ Höhle in den westlichen Bergen hatte er so deutlich die Gegenwart der Toten gespürt oder ihre nicht zu verleugnende Absicht zu töten. Sie waren auch die Quelle dieses Zischens, des Zischens wie von einer Schlange, das seinen Kopf erfüllte und mit dem sie ihm seine Seele stehlen wollten, um ihn anschließend wie leer wieder in die Nacht hinauszujagen, wo er schließlich sterben würde. In geradezu einzigartiger Weise schien ihr Hass jedoch nicht auf Valerius persönlich gerichtet zu sein; sie hassten ihn nicht für das, was er war, oder das, was er einst gewesen war, sondern einfach nur dafür, dass er nun hier war, dass er unaufgefordert hier eingedrungen war.
    Aber er war doch aufgefordert worden; Valerius glaubte dies so fest, wie er glaubte, dass er Valerius hieß. Er schloss die Augen und wanderte in Gedanken noch einmal den Pfad des Mondes entlang, schritt auf den Stier zu, der den Mond zwischen seinen Hörnern trug, und fand ihn. Dann trat er dicht an das Wesen in der Höhle heran. Es schien ihm etwas weniger feindselig gesonnen als die anderen Seelen in diesem Raum.
    Langsam verwandelte die Welt sich in Eisen, das geschmiedet und gehämmert und abermals geschmiedet wurde, und dann in geschmolzene, dickflüssige Bronze, rot wie das Blut des Lebens und gegossen in die Form einer Bärin, die ihre Jungen säugt, einer Bärin, die sich auf die Hinterbeine aufrichtete und Valerius anblickte. Das Tier sprach mit der Stimme Eburovics, der einen ganzen Frühling damit verbracht hatte, diese eine Klinge herzustellen.
    Nimm sie, die Klinge meines Lebens. Hüte sie und pass gut auf sie auf. Du wirst wissen, wie du sie zu verwenden hast und wann der richtige Zeitpunkt dafür gekommen ist.
    In all den Jahren, in denen die Toten Valerius verfolgt und gepeinigt, in denen sie ihn zahllose Male mit ihrem Spott verhöhnt hatten, hatte Eburovic seinen Sohn doch nie gehasst oder ihm jemals Böses gewünscht. »Warum gerade jetzt?«, fragte Valerius, erhielt jedoch keine Antwort.
    »Wir sollten besser nicht hier sein«, meinte Longinus leise. Seine Stimme verlor sich für Valerius in einem Gefühl der Verheerung, welches die Toten ihm geradezu entgegenspien.
    Mein Sohn, heb die Bärin von dem Fels. Du allein hast das Recht, sie zu besitzen.
    » Aber du bist nicht mein Vater.« Das war die Wahrheit. Wann eigentlich hatte Valerius dies endlich begriffen? Irgendwann auf Mona, als zum wiederholten Male ein Träumer ihn mit Luain, dem Stammesältesten, verwechselt und dies prompt bereut hatte. »Luain mac Calma hat mich gezeugt.«
    Dennoch, ich übergebe dir

Weitere Kostenlose Bücher