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Die Seherin der Kelten

Die Seherin der Kelten

Titel: Die Seherin der Kelten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Manda Scott
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Denn angesichts der chaotischen Zustände, mit denen die Kämpfe im Westen derzeit ihren Fortgang nahmen, hätten sie leicht zwei Soldaten sein können, die man in Richtung Osten nach Camulodunum geschickt hatte, um dem befehlshabenden Gouverneur, wer auch immer dies im Augenblick gerade sein mochte, Anweisungen zu übermitteln. Sie durften sich also in Sicherheit wiegen, solange sie die Legionspatrouillen mieden, aber von denen hatten sie ohnehin noch keine gesehen; die Schneeschmelze lag noch nicht lange genug zurück, als dass die Soldaten bereits wieder ungehindert von ihren Winterquartieren aus Streifzüge hätten unternehmen können.
    Das Wäldchen war ziemlich klein, betrug im Durchmesser weniger als drei Speerwurfweiten und bestand aus Buchen, Birken und kleinen, verkümmerten Eichen. Die Bäume waren feucht, noch immer benetzt von Regen und überzogen von frischen Spinnweben. Auch schienen sie nur langsam wieder auszutreiben. Und obwohl sich in ihrem Geäst einige Vögel angesiedelt hatten, fehlten doch die Nester und die Jungtiere, die man üblicherweise ebenfalls dort hätte erwarten dürfen. Valerius suchte unterdessen nach einem Wildpfad, und er fand auch einen, der zudem breit genug war, dass er auf allen vieren darauf entlangkriechen konnte. Der Hund lief voraus, und Valerius folgte ihm leise.
    Der Krieger, der am Rande des Dickichts wartete, hatte die Pferde natürlich gehört; er konnte sie unmöglich nicht wahrgenommen haben. Außerdem stellte Longinus sich bei seiner Aufgabe, die Unterhaltung mit zwei Stimmen und in gleich vier Sprachen weiterzuführen, so geschickt an, dass ein jeder, der ihn nun belauschte, sowohl die lateinische Sprache, als auch Thrakisch, Gallisch und einige Brocken Eceni hätte beherrschen müssen, um ihr noch folgen zu können.
    Longinus’ Zuhörer war jung, braunhaarig und besaß eine dunkel getönte Haut. Bewaffnet war er mit einem Jagdmesser, dessen Länge weit über alles hinausging, was jemandem, der nicht unmittelbar den Legionen unterstand, noch zu tragen erlaubt war. Aus seinem hoch oben auf dem Kopf zusammengebundenen Haarknoten hingen schlaff die drei Federn des Roten Milan herab, die ihn als einen im Dienst der Legionen arbeitenden Späher und Kundschafter auswiesen, und seine Gürtelschließe war geschmückt mit jenem Medaillon, das nur denen verliehen wurde, die sich in der Ausübung ihrer Pflichten selbst übertroffen hatten; golden funkelte der Adler im schwachen Licht der Morgensonne.
    Der junge Krieger schlich von dem Stein, hinter dem er sich versteckt hatte, zu einer Stelle am Rand des Dickichts hinüber, von wo aus er die Männer, die den Pfad entlanggeritten kamen, beobachten konnte, selbst jedoch nicht gesehen wurde.
    Laut klirrend fiel ein Kettenhemd zu Boden und ließ einen Schwarm Spatzen unter lautem Gekreische aus den Bäumen emporflattern.
    »Verdammt, Valerius! Es ist in den Dornenstrauch gefallen. Hast du gesehen, wo es gelandet ist?«
    Longinus nörgelte und lallte ein wenig, ganz so, als ob er sich noch nicht vom vorabendlichen Weingenuss erholt habe. Betont schwerfällig stieg er von seinem Pferd und machte sich auf die Suche nach dem heruntergefallenen Stück, stocherte mit dem Schwert im Unterholz herum und fluchte dabei sowohl auf Thrakisch als auch in Eceni.
    Der Späher schüttelte den Kopf angesichts der schwächlichen Konstitution des betrunkenen Eindringlings, schnaubte verächtlich durch geblähte Nasenflügel und nahm eine etwas entspanntere Haltung an.
    Valerius packte den dicken Haarschopf des Kriegers, riss dessen Kopf nach hinten, hieb ihm mit dem Knie zwischen die Schulterblätter, drückte ihn mit dem Gesicht nach unten zu Boden und setzte sich anschließend auf seine Schultern, damit der Kundschafter nicht etwa noch das Messer, welches er in der Hand hielt, gegen ihn, Valerius, einsetzen konnte.
    Es war viel zu einfach. Die Kundschafter, die mittlerweile für die Legionen arbeiteten, waren einfach zu jung, waren erst nach Beendigung des Krieges geboren worden. Valerius langte nach vorn und fuhr dem Jungen einmal mit der Spitze seiner Klinge über die Kehle, nur gerade tief genug, um zwar aus der Haut ein wenig Blut hervortreten zu lassen, nicht aber aus den Hauptadern, durch die noch immer das Leben des jungen Mannes pulsierte.
    »Atme ganz vorsichtig«, befahl Valerius ihm, »wenn du überhaupt noch atmen willst.«
    Dunkle Augen mit weißen Rändern, ganz wie bei einem gehetzten Reh, warfen Valerius einen raschen

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