Die Seherin der Kelten
das Tier gerade mit allen vier Hufen den Boden berührte und sich noch nicht wieder aufgebäumt hatte, Valerius’ Arm.
»Hör auf! Deine Schwester braucht deine Hilfe. Die Kinder brauchen deine Hilfe. Das hier hilft keinem.«
Da wurde das Pferd ganz ruhig und stand endlich schweißüberströmt und zitternd, als ob es gerade ein Rennen bestritten und gewonnen hätte, einfach nur da. Valerius dagegen schwitzte weder, noch zitterte er, doch auch er war mit einem Mal wieder ganz ruhig, wie er da im Sattel saß und mit fahlem Gesicht zu dem Späher mit den habichtähnlichen Augen hinüberblickte, der gerade aus jener Hütte herausgetreten kam, die die Töchter der Bodicea beherbergte. Schließlich sah Valerius auf Airmid hinab, die noch immer neben Breaca kniete.
Und in ihrem Gesicht schien er etwas zu lesen, das ihn im Innersten berührte. Denn er stieg ab und kniete neben seiner Schwester nieder, die nur eine Speerlänge von jenem Pferd entfernt lag, das auch sie mühelos hätte töten können. Er legte Breaca prüfend eine Hand auf den Kopf, dann auf ihr Herz und beugte sich schließlich hinab, um sein Ohr gegen ihren Brustkorb zu drücken.
Als er sich wieder erhob, sagte er: »Longinus, hol Wasser. Falke, hol alle herbei, die bereits von ihren Fesseln befreit sind und noch laufen können, und dann lass sie die Tore verriegeln und die Kreuze runterreißen, um aus ihnen eine Barrikade zu errichten. Sollte Driscus es sich nämlich noch einmal anders überlegen und von Camulodunum aus wieder hier heraufmarschiert kommen, hätte ich doch wenigstens gern den Hauch einer Gegenwehr.«
Dann kniete er sich wieder in den Schmutz neben jene Frau, gegen die er so lange Zeit gekämpft hatte, hob sie mit der Behutsamkeit eines Liebhabers auf seine Arme, stand auf und blickte um sich, auf der Suche nach einem Gebäude, das noch nicht zerstört worden war. Er trug sie schließlich in Airmids Kate am westlichen Ende der Lichtung, denn wenn es dort auch sonst nichts mehr gab, so doch zumindest noch das Wasser des Baches, und selbst das halb heruntergerissene Reetdach bot noch ein wenig Schutz.
»Ist Breaca wach?«
»Ich hoffe nicht.«
Doch.
Sie wollte sprechen, aber sie konnte ihre Zunge nicht bewegen.
Airmid war ganz in der Nähe, war die ganze Zeit über bei ihr geblieben, seit Breaca unter dem Marterpfahl das erste Mal die Hände ihrer Gefährtin auf ihrem Körper gespürt und deren Stimme gehört hatte, die ihr alles verkündete, was wichtig war: »Graine lebt. Corvus ist hier. Alles wird wieder gut«, so dass Breaca nicht wieder herauszuklettern brauchte aus jenem Quell des Friedens, den sie endlich gefunden hatte.
Die Dunkelheit kam und ging wieder. Hände schlangen sich um Breacas Hände und reinigten jeden ihrer Finger von jenem Schmutz und Blut, die sich bereits in ihre Haut eingegraben zu haben schienen. Später breitete jemand etwas Kaltes und Nasses über das zerfetzte Fleisch ihres Rückens. Sie zuckte heftig zusammen und stöhnte laut auf, fand keine Worte, suchte sie jedoch auch gar nicht, und schließlich wich die Kälte wieder, nicht jedoch das Gefühl der Nässe. Ganz im Gegenteil tropfte sogar noch mehr auf sie hinab, ganz langsam, so dass jeder Tropfen sich erst erwärmte und beruhigend ausbreitete, ehe der nächste folgte, und mit der Zeit wurde dieses gleichmäßige Muster aus Tropfen sogar erträglich.
Noch eindringlicher als die Tropfen aber nahm sie die Stimmen wahr, deren Klang einer Woge gleich langsam auf sie zurollte und dann wieder zurückwich. Breaca lauschte auf den Tonfall, nicht eigentlich auf die Worte, bis sie erkannte, dass Airmid eine Frage gestellt hatte, nicht jedoch, wer ihr auf diese Frage geantwortet hatte; außer dass es ein Mann war und dieser Mann sich um Breaca sorgte.
Etwas später, als die Sonne weitergewandert war und es in ihrem Rücken weniger heiß brannte, sagte derselbe Mann: »Sie muss sich bewegen, so wie auch Cunomar und die anderen, die gemeinsam mit ihm ausgepeitscht wurden, sich bewegen.«
»Aber dazu ist sie noch nicht in der Lage«, entgegnete Airmid.
Geduldig erwiderte die Stimme: »Dann müssen wir eben dafür sorgen, dass sie dazu in der Lage ist. Wenn sie so liegen bleibt, wird ihr Rücken zwar heilen, sich unterdessen aber auch versteifen, und das wird sie in ihrer Aufgabe als Kriegerin behindern.«
Eine andere, schroffe männliche Stimme ertönte: »Aber ob sie das dann überhaupt noch interessieren wird?«
»Ich denke schon, dass sie das noch
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