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Die Seherin der Kelten

Die Seherin der Kelten

Titel: Die Seherin der Kelten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Manda Scott
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jenen Platz, auf dem sich die gerade aufs Neue verunsicherten Söldner drängten sowie ihre stummen, doch wachsamen Gefangenen. Im Übrigen hatten Corvus’ Männer ihre Handlungsanweisungen offenbar bereits erhalten. In zwei parallel zueinander verlaufenden Reihen kamen sie durch die Tore geritten, teilten sich gleich nach ihrem Eindringen in die Siedlung in zwei Gruppen auf, wobei die eine nach links herumschwenkte, die andere nach rechts, und sie somit einen mit Eisen gepanzerten Halbkreis bildeten, der jegliches Ausbrechen aus dem Dorf verhinderte. Dann schwang sich jeder Zweite von ihnen von seinem Pferd und reichte die Zügel an den Reiter zu seiner Rechten weiter.
    Corvus’ Aufmerksamkeit war unterdessen ganz auf Valerius konzentriert; hatte ihm bereits gegolten, seit er in die Siedlung hereingeritten war. Sie sahen einander an, maßen sich gegenseitig mit Blicken; ähnlich wie zwei Damhirsche gegen Ende der Brunftzeit; oder auch wie zwei Feinde auf einem Schlachtfeld, die jahrelang gekämpft hatten, ohne einander zu entdecken, und die den anderen nun, da sie sich endlich begegneten, in einer ganz anderen Verfassung vorfanden, als sie erwartet hatten.
    Ohne den Blick von Valerius abzuwenden, sprach Corvus an seine Männer gewandt: »Findet ihre Tornister und durchsucht sie.«
    Den ehemaligen Söldnern von Camulodunum waren unermessliche Reichtümer versprochen worden, wenn sie zur Unterstützung mit dem Prokurator marschieren würden. Nur dass sich die Siedlung des letzten Königs der Eceni nicht als so reich erwiesen hatte, wie sie womöglich erwartet hatten; und doch hatten die Männer, wie es im Übrigen auch auf jedem Feldzug üblich war, von dem Vorhandenen zunächst einmal einen ordentlichen Anteil für sich selbst abgezweigt, ehe sie den Rest in der offiziellen Bestandsaufnahme auflisteten.
    Die Tornister der Männer erwiesen sich, als sie auf die festgetretene Erde des kleinen Platzes entleert wurden, als wahre Elsternnester, angefüllt mit Gold und Silber, mit emaillierten Armreifen, die auf den Märkten von Rom einen guten Preis erzielt hätten, mit Broschen, Ketten und Gaben, die eigentlich für die Götter gedacht waren. Und in einem der Säcke befand sich sogar eine für ein Kind gefertigte Brosche in der Form eines Zaunkönigs, die man zur besseren Aufbewahrung in etwas Wolle eingewickelt hatte.
    Zudem förderte die Durchsuchung jener wenigen Gebäude, die noch standen, auch die beiden Töchter des Königs zutage, die dringend ärztlicher Behandlung bedurften - das heißt, sofern man diese nun nicht doch als Verräterinnen erachtete. In letzterem Fall nämlich könnte man auch einfach beenden, was an ihnen offenbar schon begonnen worden war.
    Dies berichtete auch der Rittmeister der Kavallerie seinem Präfekten, der daraufhin nickte, sich in die Nasenwurzel kniff, den Blick noch immer auf Valerius gerichtet, und schließlich verkündete: »Driscus, du warst bereits ein schlechter Waffenmeister und gibst nun einen noch schlechteren Zenturio ab, doch leider gilt das noch nicht als Kapitalverbrechen, im Gegensatz zu Diebstahl am Eigentum des Kaisers, welches nun eindeutig ein solch gravierendes Vergehen ist. Du darfst dich also außerordentlich glücklich schätzen, dass ich gerade einen Krieg habe, dem ich mich widmen muss, und darum nicht die Zeit erübrigen kann, dich und deinen Pöbel persönlich aufzuhängen. Du hast noch so lange Zeit, um deine Männer aufzustellen und wieder zu verschwinden, bis die Nachhut meiner Kohorte ankommt. Und ich schlage vor, dass du das mit etwas mehr Professionalität angehst, als du bei deiner Abreise aus Camulodunum bewiesen hast.«
    Als Valerius sich an die Söldner wandte, hatte er im Jargon der Soldaten gesprochen, in der ungeschliffenen und nur knapp akzentuierten Mundart der Legionen, ergänzt von einigen gallischen und thrakischen Ausdrücken und vorgetragen in dem kehligen Batavisch der sprachlich ohnehin ein wenig ungehobelten Kavallerieeinheiten. Corvus dagegen sprach in dem Latein des römischen Senats, das alles unterhalb seines eigenen Niveaus zu in der Gosse angesiedeltem Abschaum degradierte. Der bloße Tonfall seiner Rede schmerzte die Veteranen also bereits ebenso wie seine Worte. Noch lange, ehe der Präfekt mit seiner Ansprache geendet hatte, hatte Driscus’ Gesicht schon eine tiefrote Farbe angenommen, und gegen Ende zwirbelte er das lederne Ende seines Gürtels in der Hand.
    Nachdem der Anführer der drei Veteranenzenturien des Prokurators

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