Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Seherin der Kelten

Die Seherin der Kelten

Titel: Die Seherin der Kelten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Manda Scott
Vom Netzwerk:
sie wieder geheilt. Jetzt reitet sie davon, und sie wird nie mehr wiederkommen. Die Ahnen sind bei ihr. Aber die besitzen auch nicht mehr Macht als die Götter, um Mutter zu beschützen. Aber sie werden sie beobachten und Wache halten, damit wir es erfahren, falls sie fällt.«
    »Danke.« So viel, und das von den Lippen eines Kindes. So vieles, das Graine ganz für sich allein getragen hatte, einen ganzen Morgen lang. So vieles, das es zu betrauern und zu fürchten gab - und vielleicht auch zu planen.
    Airmid versuchte nicht, sich jetzt zu einem beruhigenden Lächeln zu zwingen; bei einem Mädchen wie Graine wäre das eine Beleidigung gewesen. Sie erhob sich, ergriff die Hand des Kindes und sagte: »Wenn das so ist, dann gibt es für uns jetzt nichts mehr zu tun, als den Kurier zu begrüßen. Meinst du, er wird noch lange genug leben, um seine Nachricht an uns weitergeben zu können?«
    »Wenn wir uns beeilen, wird er es noch schaffen.«
    »Kannst du rennen?«
    »Natürlich.«
    »Dann lass uns aufbrechen.«
    Gemeinsam rannten sie den steinigen Pfad bis zu Sorchas Hütte entlang. Am Flussufer saß ein einzelner Frosch und quakte sein herbstliches Lied der Trauer.

V
     
    Eingebettet in ein flaches Erdloch gab das Feuer keinen Rauch ab, sondern nur einen Schleier erhitzter Luft, welche die aufrechten Linien der am Rande der Lichtung wachsenden Birken verzerrte, so dass die Bäume zu erzittern schienen, so als ob sie sich in einem See spiegelten. Die leicht gekräuselte Wasseroberfläche des unmittelbar an die Lichtung anschließenden Ozeans setzte sich in dem Muster der Wolken fort, die über den Abendhimmel hinter den Birken glitten. Breaca hatte beinahe das Gefühl, sie sei wieder in der Höhle, gefangen in den Fieberträumen, die die Ahnin ihr gesandt hatte, doch sie befand sich unter freiem Himmel.
    Und dennoch schien es, als ob selbst diese Träume noch freundlicher gewesen wären als die Wirklichkeit. Eingewickelt in ihren Umhang saß sie mit dem Rücken gegen einen Felsen gelehnt und wünschte sich - ohne jedoch Hoffnung auf die Erfüllung ihres Wunsches zu hegen - die Wärme und die Kameradschaft eines Hundes an ihrer Seite. In jenen Tagen vor dem Einfall der Römer hätte kein Jäger, kein Krieger, kein Händler oder reisender Schmied jemals unter freiem Himmel geschlafen, ohne dabei einen Hund zur Gesellschaft zu haben, der die Kälte der Nacht von ihm fern hielt.
    Zwar war dies nur eine der am wenigsten auffälligen Veränderungen, die mit der Flut der römischen Invasion einhergingen - doch war gerade dieses Fehlen der Hunde eine der einprägsamsten Erinnerungen an jenes Leben, das einst das der Bewohner Britanniens gewesen war. Und es war ein weiterer jener vielen, im Einzelnen fast unwesentlichen, in der Gesamtheit aber geradezu erdrückenden Gründe, die Breaca zu ihrer Entscheidung geführt hatten: Sollte sie jemals vergessen, warum sie genau jenen Weg eingeschlagen hatte, den sie nun ging, dann dachte Breaca von Mona, einst Stammesmitglied der Eceni, an das verheißungsvolle Bild eines Hundes, der ihr an einem warmen Herbstabend Gesellschaft leistete. Nicht zuletzt dieses Bildes wegen hatte sie ihre Krieger im Stich gelassen, jene Krieger, denen sie die Bodicea gewesen war, die Überbringerin des Sieges, und hatte die Insel Mona verlassen - Mona, fast zwanzig Jahre lang ihr Zuhause und ihr Schutz. Sogar ihre Kinder hatte sie dafür verlassen. Jene Kinder, denen sie letztlich aber ja ohnehin nie eine echte Mutter gewesen war. Als Breaca also die Höhle der Ahnenträumerin verließ, die Wunde an ihrem Arm bereits wieder halb abgeheilt, hatte sie den Kopf ihrer Stute in Richtung Osten gelenkt, dorthin, wo die Gebiete der Eceni lagen - und sie hatte seitdem kein einziges Mal mehr zurückgeblickt.
    Die Götter zeigen einem die vielen Möglichkeiten, die die Zukunft bereithält... das Dargebotene zur Wirklichkeit werden zu lassen, ist dann allerdings allein Aufgabe der Menschen.
    Das waren die Worte der Träumerin der Ahnen gewesen, als Breaca aufgebrochen war. Sie hatte durch den Hundsstein gesprochen, als Breaca gerade die letzten Grasbüschel von dem Stein zupfte - ganz so, wie sie es versprochen hatte. In dem Augenblick hatte Breaca dem Hundsstein nur flüchtig gelauscht und war gleich darauf auf ihn hinaufgeklettert, um ihr Pferd zu besteigen.
    Wirklich zum Nachdenken über die Worte der Urahnin war Breaca erst später gekommen, als sie auf kaum benutzten Pfaden in Richtung Osten geritten war und sich

Weitere Kostenlose Bücher