Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Seherin der Kelten

Die Seherin der Kelten

Titel: Die Seherin der Kelten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Manda Scott
Vom Netzwerk:
den Hund auf ihn zu hetzen, und sonst nichts. Würdest du das denn lieber glauben?«
    In dem langen Schweigen, das daraufhin folgte, saßen die Vögel ganz still auf ihren Ästen, und der Frosch quakte alleine weiter.
    »Wenn ich es glaube, wird es dann dadurch zur Wahrheit?«
    »Ich denke nicht, dass sich durch unsere Sichtweise der Dinge irgendetwas verändert - nur wir selbst verändern uns dadurch.«
    »Nein... und in dem Fall möchte ich lieber daran glauben, dass der Hase starb, weil er wieder zurück zu Nemain wollte. Aber das bedeutet dann ja...« Graine schien innerlich ins Schwanken geraten zu sein. Sie war erst ein Kind von sechs Jahren und rang bereits mit Fragen, die selbst den Mitgliedern des Ältestenrats Kopfzerbrechen bereiteten, und das schon seit der Zeit, als noch die allerältesten der Ahnen die Erde bevölkerten.
    Sanft sagte Airmid: »Dann bedeutet das, dass Nemain einen erheblich größeren Ausschnitt aus dem Bild sieht als wir. Wir sehen nur, was direkt vor unseren Augen liegt. Und es bedeutet, dass dein Vater, wenn er noch in Gallien ist, aus einem bestimmten Grund dort ist, auch wenn wir diesen Grund nicht kennen.«
    »Und der Verräter-Bruder? Warum ist er jetzt in Irland?«
    »Valerius. Früher einmal war er Bán, aber jetzt nennt er sich Valerius.« Airmid streichelte eine kleine Wange, die ebenso gut auch die Wange Báns hätte sein können. »In jedem Fall hilft es nicht, nun schlecht von ihm zu denken. Ich weiß doch selbst nicht, warum er dort ist. Ich kann ihn nicht erreichen, kann ihn nicht sehen. Er hat sich von der Berührung durch die Götter ausgeschlossen.«
    So ausführlich hatte Airmid noch mit keinem über Bán gesprochen; und mit Breaca schon gar nicht. Graine erschauderte in der kühlen Luft, und nicht nur ihre Haut erbebte unter der Stimme des Gottes. Airmid erkannte, dass nun ein Augenblick gekommen war, in dem sie die Tiefe ihrer Gefühle für Graine zeigen konnte, ohne damit Schaden anzurichten, und sie streckte die Arme aus und zog den jungen Körper an ihre Brust, wärmte das Mädchen und hielt sie fest an sich gedrückt.
    Nach einer Weile hörte das Zittern auf. Airmid drückte Graine einen Kuss auf das üppige, widerspenstige Haar und sagte: »Wir müssen beide erst noch lernen, geduldig zu sein. Irgendwann wird uns die Antwort schon klar, selbst wenn wir bis zu unserem Tod warten müssen, um sie zu erkennen.«
    »Macht einem der Tod denn manche Dinge plötzlich klarer?«
    »Der Tod macht alle Dinge klar.«
    »Dann wird der Mann, den Sorcha auf der Fähre herüberbringt, bis zum Nachmittag alle Dinge klar sehen können.«
    Das Kind besaß eine außergewöhnliche Gabe, aber manche Dinge vermögen selbst die Götter nicht so ohne weiteres zu erkennen. Mit scharfer Stimme fragte Airmid: »Woher weißt du das?«
    Graine hob Airmid ihr schmales Gesicht entgegen. Für einen Moment schaute sie sehr ernst und behielt jenen abwesenden, in unbekannte Fernen gerichteten Blick bei, den sie von den Träumern gelernt hatte. Dann grinste sie und war mit einem Mal wieder ein Kind, das sich mit strahlendem Lächeln über den Erfolg einer kleinen List freute.
    »Er war da, als ich mit Stone aus Sorchas Hütte herauskam. Ich habe gesehen, wie er bis ans Ufer ritt und die Signalflagge hisste. Aber er hing so merkwürdig schief im Sattel und hielt sich den Bauch, und als er versuchte, abzusteigen, fiel er hinunter, und sein Pferd ist dann von ihm weggegangen. Gwyddhien sagt, dass Pferde das nur tun, wenn ein Mensch stirbt.«
    Die feinen Härchen auf Airmids Unterarmen richteten sich auf, und sie hatte plötzlich eine ganz trockene Kehle. Einige Träume aus den vergangenen Nächten wurden jetzt plötzlich verständlicher, als es ihr lieb gewesen wäre. Gedankenverloren erwiderte sie: »Wenn Gwyddhien das sagt, dann wird es schon stimmen. Ist Sorcha denn zu ihm gegangen?«
    »Noch nicht sofort. Als ich mit Stone fortging, stand sie gerade auf, um das Baby zu füttern. Inzwischen wird sie wohl fertig sein. Aber du solltest zu ihm gehen. Er bringt Nachrichten aus dem Osten. Das hat mir ebenfalls der Hase gesagt.«
    »Und hat der Hase dir auch gesagt, was für Nachrichten er mit sich bringt?«
    Die grauen Augen wurden sehr groß. »Nein. Aber er hat mir den Bruder des Kuriers gezeigt, und der ist schon tot. Mutter hat den Mann getroffen, und sie kennt die Nachricht, die er überbringen sollte. Sie war krank wegen der Wunde, die wir gesehen haben, aber die Träumerin des Schlangenspeers hat

Weitere Kostenlose Bücher