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Die Seherin der Kelten

Die Seherin der Kelten

Titel: Die Seherin der Kelten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Manda Scott
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auf der Lichtung aufgehalten hatte, ihre neue Position aber ließ sich daraus nicht ablesen.
    Der Feind war allein und hielt sich geschickt verborgen. Er lag ruhig unter einem verkümmerten Schwarzdornbusch, und Breaca bemerkte ihn nur auf Grund seines hellen Haarschopfes. Somit war er also kein Römer; denn von den Eindringlingen hatten nur die gallischen Kavalleristen solches Haar, und die besaßen wiederum nicht die Fähigkeit dazu, sich so geschickt zu verbergen. Dann musste er wohl ein Späher von den Coritani sein, ein Abtrünniger aus dem Stamm im Osten, dem Nachbarn der Eceni, der sich für Rom ausgesprochen hatte. Die besten der Fährtenleser aus dem Stamme der Coritani erhielten stets eine ansehnliche Entlohnung in Gold, wenn sie dafür wieder einmal auf die Jagd nach ihren eigenen Landsleuten gingen. In den vergangenen Tagen hatte Breaca bereits zwei dieser Verräter getötet. Dabei musste sie feststellen, dass die Coritani auch nicht begabter waren als ihre römischen Herren; einzig, dass sie sich in offenem Gelände ein wenig vorsichtiger zu bewegen wussten.
    Sie wartete, beobachtete eine Weile und hieb schließlich ihre Messerklinge in die Erde, um mit der freien Hand ihre schwarz angemalten Katapultsteine zu betasten. Bei zweien dieser Steine verliefen rote Schlangenlinien über den schwarzen Untergrund. Noch auf Mona hatte Breaca diese Schlangenlinien aufgemalt, damals, als die Schlangenträumerin nurmehr eine ungefährliche und weit zurückliegende Erinnerung gewesen war. Sie erkannte die Steine an dem Schmerz, den sie in ihrer Hand hervorriefen. Einen davon zog sie nun aus ihrem Lederbeutel und legte ihn in die Vertiefung ihrer Schlinge. Diese beiden Steine vermochten nicht nur das Leben eines Feindes zu zerstören, sondern sie löschten auch noch die Feuer seiner Seele. Das war ein Schicksal, wie es für einen Verräter gerade richtig war, und selbst die gottlosen Coritani würden lernen, dieses Schicksal zu fürchten.
    In dem Moment, als der aus ihrem Umhang aufsteigende Dampf zu Rauch wurde, kam der Späher aus seinem Versteck hervor und bewegte sich vorwärts, wobei er auf dem Bauch voranglitt, so geschmeidig und leise wie eine Schlange. Wenngleich die Strategie und Vorgehensweise seiner Verfolgung auch schrecklich unbeholfen war, so konnte er sich doch außergewöhnlich gut bewegen; er glitt in wellenförmigen, fließenden Bewegungen vorwärts, die weder Blätter noch Zweige aufrascheln ließen, sondern ihn stattdessen geradewegs zu jener Stelle führten, wo Breaca vor kurzem noch gesessen hatte.
    Doch wo ein Fährtenleser war, der sein Handwerk beherrschte, war vielleicht auch noch ein zweiter. Allein dieses Wissen war es, das Breacas Hand innehalten ließ, als der Späher hinter dem Schwarzdornbusch hervorkam und der rot-schwarze Katapultstein ihn in diesem Augenblick eigentlich leicht hätte töten können. Die Bodicea hatte nicht so viele Winter allein gejagt, um nun der List eines Kriegers zu erliegen, der bereit war, sich selbst zu opfern, wenn er sie damit in eine Falle locken konnte. Sie beobachtete die Stelle, an der der Späher gelegen hatte, und wartete.
    »Er ist gut, nicht wahr? Aber nicht so gut wie du und ich.«
    Das Flüstern war Teil der Nacht, ein Seufzen von leichten Windstößen. Und es war die Stimme eines Freundes und wahrlich das Letzte, was Breaca in diesem Moment zu hören erwartet hätte.
    »Ardacos?«
    Langsam wandte sie sich um. Vom Fuße einer Birke blickte der kleine Krieger mit der wettergegerbten Haut zu ihr auf und grinste. Ardacos war der Anführer der Krieger der Bärin und damit zugleich auch der glühendste Verfechter ihrer altertümlichen Art zu jagen. Er kämpfte nackt und zu Fuß, von Kopf bis Fuß eingeschmiert mit dem gräulichen, mit Färberwaid vermischten Bärenfett, das dem Bärinnenkrieger seine Macht verlieh. Zudem schmückte er sich mit einer Kriegsbemalung aus Kalk und Tonerde, die seine Feinde noch jedes Mal in Angst und Schrecken versetzte. Jetzt trug er allerdings nicht seine Kriegsbemalung, und er strömte auch nicht den stinkenden Bärengeruch aus, aber nackt war er trotzdem, abgesehen von einem Messergürtel. Wie ein Stein oder ein schlafender Bär schien sein Körper mit der Umgebung zu verschmelzen. Und dass Breaca ihn nun sehen konnte, rührte lediglich daher, dass er von ihr gesehen werden wollte. Aller Wahrscheinlichkeit nach war sie bei der Verfolgung des Spähers also einfach an Ardacos vorbeigeschlichen, ohne auch nur das geringste

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