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Die Seherin der Kelten

Die Seherin der Kelten

Titel: Die Seherin der Kelten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Manda Scott
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sein zu dürfen, die nach alter Tradition ihren Schwur auf den Speer ablegten, die ihr Leben hingeben dürften, ihre Seele und ihre Freiheit allein für dieses Ziel.
    Auf Mona gab es Mut genug, um davon sogar anderen noch etwas abgeben zu können. Hier aber lagen die Dinge offensichtlich anders.
    In diesem Bewusstsein ließ Breaca es also nicht bei dieser kurzen Ansprache bewenden, sondern bedeutete vielmehr mit einer Handbewegung in Richtung der Bäume, dass nun auch Cunomar und Cygfa in den Kreis treten und sich vor sie knien sollten, bis sie schließlich alle in einer Linie vor ihr aufgereiht saßen; eine Frau und ihre drei Kinder. Die Bodicea, die Siegesbotin, und jedes einzelne Mitglied der königlichen Linie der Eceni.
    Sie wurden mit Schweigen empfangen, nicht mit zum Gruß erhobenen Händen.
    Graine ließ sich gegen ihre Mutter zurücksinken; plötzlich war sie gar nicht mehr so selbstsicher wie noch vor kurzem. In den ganzen zwei Jahren seit Cygfas und Cunomars Rückkehr aus Gallien hatten ihr Bruder und ihre Schwester noch nie so wie jetzt neben ihr gesessen; so als ob sie eine Familie wären. Sorchas Kinder waren ihre Familie gewesen, und Airmid natürlich. Rasch warf sie einen Blick zur Seite und in die Dunkelheit jenseits der Fackeln. Dort irgendwo war Stone, allerdings hielt Ardacos ihn zurück. Nur mit den Lippen, ohne Stimme, rief sie eine Bitte. Sogleich kam wie zur Antwort der große Hund vorgetreten, legte sich neben sie, und Graine fühlte sich wieder geborgen.
    Breaca erhob sich und ließ den Blick über die Versammlung schweifen. In ihrem Schweigen lag der Kern ihrer Botschaft. Ich habe meine Familie in euer Land geführt. Ich habe das gleiche Risiko auf mich genommen, wie auch ihr es tragt. Ihr könnt mir vertrauen.
    Sie wussten die gegenwärtige Lage sehr gut einzuschätzen, diese alten Männer und Frauen, und das Wenige, was ihnen von ihrer Ehre noch erhalten geblieben war, erfüllte sie mit Stolz. Ein Seufzen ging durch ihre Reihen, doch die Luft blieb fast regungslos stehen. Graine beobachtete, wie sie ihre Aufmerksamkeit von der Bodicea abwandten und stattdessen zu einem Mitglied aus ihren eigenen Reihen hinüberschauten.
    Zweifellos hatten sie bereits einen aus ihrer Mitte bestimmt, der die Funktion des Sprechers übernehmen sollte. Die Frau erhob sich; sie war grauhaarig und sehr mager, eine hoch gewachsene und asketische Erscheinung, ausgehungert von den Entbehrungen, die das Leben ihr auferlegt hatte oder die sie sich selbst wählte, so dass ihre Haut an ihren Knochen zu kleben schien und die Fingerknöchel hervorstanden wie der Widerrist eines Pferdes. Ihr Umhang war von dem speziellen Grau, wie man es auf Mona trug, und schon ganz zerschlissen von der Aufmerksamkeit, mit der die Nagetiere und die Fäulnis ihn bedacht hatten. Auf der Brust trug sie eine einzelne schwarze Feder und in der rechten Hand einen Rabenschädel, dessen weißer Schnabel hervorstach wie ein sechster Finger. Von all den Dingen, die sie am Leibe trug, waren der Schädelknochen und die Feder die einzigen beiden, die wirklich sauber aussahen.
    »Du bist gut genährt, Breaca von den Eceni, ebenso wie deine hübschen Kinder.«
    Sie lächelte nicht. Wiederum schienen Graine die Worte aber auch nicht so bitter zu klingen, wie sie vielleicht hätten wirken können. Die Stimme der Frau war eindeutig weicher als die des Raben, der ihr Traumsymbol zu sein schien. »Wenn du eher gekommen wärst, zu einem Zeitpunkt, als es noch Krieger unter uns gab, Krieger, die noch den Willen hatten zu kämpfen, als wir noch offen unsere Speere und Waffen tragen durften und noch nicht dazu gezwungen waren, sie außer Reichweite und an Orten zu verstecken, von deren Existenz noch nicht einmal unsere Familien wissen, wenn du gemeinsam mit den zehntausend Speerkämpfern von Mona gekommen wärst, die dir gefolgt wären, um dich in deiner Forderung zu bekräftigen, oder wenn du genügend Träumer bei dir hättest, die jenen, denen bereits das Herz gebrochen ist, wieder Mut einflößen könnten, dann hätten wir dich mit Freuden unter uns willkommen geheißen.«
    Sie ließ den Blick einmal über ihre Zuhörer schweifen. Niemand erhob sich, um ihrer scharfen Rhetorik Einhalt zu gebieten oder um sie in eine andere Richtung zu lenken. Dann neigte sie den Kopf ein wenig zur Seite, ganz so, wie es die Raben taten, lauschte kurz und fuhr schließlich fort: »Aber du bist nicht eher gekommen, und auch wenn du nun deine Familie mitgebracht hast, und

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