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Die Seherin der Kelten

Die Seherin der Kelten

Titel: Die Seherin der Kelten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Manda Scott
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heute noch.
    »Du kannst nicht hier bleiben! Du darfst nicht hier bleiben! Wenn die Legionen erfahren, dass die Bodicea hier ist, dann lassen sie dich eines schrecklichen Todes sterben, der sich über drei volle Tage hinziehen wird. Und wenn sie kommen, um dich zu holen, werden sie sich nicht mit bloß deinem Tod zufrieden geben, sondern sie werden durch uns alle hindurchpflügen wie Wölfe durch eine unbehütete Schafherde, und unsere Kinder werden auf unserer eigenen Türschwelle verbluten. Es war der helle Wahnsinn von dir, dich überhaupt so weit vorzuwagen. Was hat dich denn bloß auf die Idee gebracht, du könntest hier bleiben?«
    Seine letzten Worte fielen in vollkommenes Schweigen hinein. Selbst hier hatte er es geschafft, über das Ziel hinauszuschießen. Er stand leicht schwankend auf dem umgestürzten Baumstamm, und sein Groll schien wie ein Lichtkranz von ihm auszustrahlen. Er schaute sich nach rechts und nach links um, auf der Suche nach jener Zustimmung, die man ihm jedoch nicht gab. Selbst diejenigen, die zuvor noch seiner Meinung gewesen waren, hatten den Blick nun auf den Boden gesenkt und sprachen kein Wort.
    Die ganze Zeit über war die Bodicea ruhig stehen geblieben und hatte scheinbar gefasst und aufmerksam den Argumenten beider Seiten gelauscht. Graine aber sah mit wachsender Beunruhigung, dass ihre Mutter den weitaus größeren Teil ihrer Aufmerksamkeit auf den hinter dem Versammlungskreis liegenden Wald konzentriert hatte. Je länger Breaca warten musste, desto stärker drückte sie die Hand auf jene Stelle an ihrer Seite, wo eigentlich ihr Schwert hätte hängen sollen.
    Breaca holte tief Luft, wollte gerade zu der Versammlung sprechen, als plötzlich aus der Dunkelheit jenseits der Fackeln eine bisher ungehörte Stimme ertönte: »Sie kann bleiben. Als meine Ehefrau. Rom wird nie erfahren, wer sie wirklich ist.«
    Die Stille, in die diese Worte gefallen waren, stank mit einem Mal nach einer geradezu Übelkeit erregenden Angst.
    Der Mann, der jetzt zwischen zwei rußenden Fackeln hindurchtrat, war zwar nicht so groß wie Luain mac Calma, aber dennoch größer als die meisten anderen der Anwesenden. Sein Haar hatte Ähnlichkeit mit Stroh, sowohl in der Farbe als auch in der Beschaffenheit, und es war nach römischer Art geschnitten, so dass es ihm kaum bis zu den Schultern reichte.
    Als Graine endlich den Blick von seinem Haar zu lösen vermochte sowie von dem nackten Hunger, der aus seinen Augen strahlte, da erkannte sie, dass sein rechter Arm nur bis zum Ellenbogen reichte und dass er die Ärmel seiner Tunika offenbar bewusst übermäßig lang trug, um eben das zu verbergen. Und somit wusste sie mit geradezu quälender Gewissheit, wer er war: Tagos, der sich selbst Prasutagos nannte, um es an Gewichtigkeit mit dem römischen Gouverneur aufnehmen zu können; der verstümmelte Krieger, der Silla bloß als Zuchtstute benutzt hatte, damit diese ein kränkliches Kind nach dem anderen gebar, bis sie schließlich starb, ohne auch nur einen lebensfähigen Nachkommen zu hinterlassen. Er war der selbst ernannte »König der Eceni«, der sich zuerst mit Kaiser Claudius verbündet hatte und dann mit Nero. Wenn Efnís’ Kurier also die Wahrheit gesagt hatte, dann war dies genau jener Mann, der sie alle auf die nur denkbar grausamste Art sterben sehen wollte.
    Es dauerte eine Weile, bis Graine den Blick hinauf zu ihrer Mutter hob. Breaca stand noch immer vollkommen ruhig da. Die Anspannung, die sie zuvor noch umfangen hatte, war verschwunden. Das Warten hatte ein Ende gefunden. Wenn an ihr überhaupt irgendeine Regung abzulesen war, dann schien sie sich gerade zu sammeln, so wie die Krieger es üblicherweise taten, bevor sie in eine Schlacht ritten. In Wahrheit aber hatte Breaca ihre innere Ruhe bereits längst wiedergefunden.
    »Kommst du mit Roms Legionen auf den Fersen?«, fragte sie mit ruhiger, beherrschter Stimme.
    »Nein.«
    Tagos runzelte angestrengt die Stirn. Seine Bewegungen waren allesamt viel zu schnell, zu ruckartig. Er nahm sich nicht die Zeit, nachzudenken oder die Götter zu fragen, ehe er handelte. Graine schämte sich, dass ein Eceni sich so benahm.
    »Es tut mir Leid«, fuhr er fort, »dass du so von mir denkst. Ich komme mit einer Lösung, um den Konflikt beizulegen. Ich habe den Zwistigkeiten unter den Ältesten unseres Volkes gelauscht. Sie könnten sich noch die ganze Nacht hindurch streiten, und noch drei Nächte länger, und würden einer Lösung doch um keinen Deut näher

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