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Die Seherin von Garmisch

Titel: Die Seherin von Garmisch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martin Schueller
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den
Bus Richtung Farchant gestiegen. Er weiß aber nicht, wo er ausgestiegen ist.«
    Schwemmers Handy klingelte. Er meldete sich und
lauschte. »Wir kommen sofort«, sagte er dann.
    * * *
    Ein Streifenwagen stand auf dem Forstweg, daneben
dessen Besatzung und vier Waldarbeiter. Sie sahen Schwemmer und Schafmann stumm
entgegen, als sie aus ihrem Passat stiegen.
    »Wo ist er?«, fragte Schwemmer, und die Waldarbeiter
wiesen gemeinsam den Hang empor, als hätten sie die Bewegung choreographiert.
    »Wie verletzt ist er?«
    »De kann se ned mehr riarn. Wuilt se aba ums Verrecka
ned helfa lassn«, sagte der Chef der vier.
    »Hat er was gesagt?«
    »Na. Nua ›Geht weg‹, un dann hod er mit sei Pistoln af
uns gzielt. Da ham mia denkt, do mia eam de Gfalln.«
    »Rettungswagen ist unterwegs«, sagte einer der beiden
Streifenbeamten.
    »Gut«, sagte Schwemmer. Er sah zu Schafmann. »Kommst
du mit?«
    Schafmann wies auf Schwemmers Halbschuhe mit
Ledersohle. »Scheint mir eher die Frage, ob du mitkommst.« Schafmann
trug seine Haferlschuhe mit Profilsohle.
    Schwemmer sah die Waldarbeiter an. »Hat einer der
Herren Größe vierundvierzig?«, fragte er.
    Es ging steil nach oben. Sie folgten dem tröpfelnden
kleinen Wasserlauf, an dem die Arbeiter auf den Verletzten gestoßen waren. Nach
fünfzig Metern keuchte Schwemmer vor Anstrengung, aber er setzte alles daran,
sich nicht von Schafmann abhängen zu lassen. Die Schuhe, die der Waldarbeiter
ihm überlassen hatte, waren zu weit, aber immer noch besser als seine
Stadtschuhe, die er am Morgen nur wegen des Treffens mit Frohnhoff angezogen
hatte. Sie waren vielleicht hundertfünfzig Meter weit gekommen, als sie von
vorn angerufen wurden.
    »Bleiben Sie weg!«, rief eine Stimme mit slawischem
Akzent. »Bleiben Sie weg, oder ich schieße.«
    »Kannst du ihn sehen?«, fragte Schafmann.
    Schwemmer richtete sich schwer atmend auf und suchte
mit zusammengekniffenen Augen zwischen den Bäumen. »Ja, da vorne liegt er …
Herr Bretcnik!«, rief Schwemmer. »Hier ist die Polizei. Lassen Sie sich bitte
helfen.«
    Bretcnik sagte etwas, vermutlich auf Slowakisch, es
klang, als spräche er mit sich selbst. Und es klang, als wäre er verzweifelt.
»Bleiben Sie weg!«, rief er dann erneut.
    Schwemmer sah Schafmann an, der zuckte die Schultern.
    »Herr Bretcnik!«, rief Schwemmer. »Ich bin
Hauptkommissar Schwemmer von der Kripo Garmisch. Ich werde jetzt zu Ihnen
kommen. Ich werde meine Hände so halten, dass Sie sie sehen können.«
    Er erhielt keine Antwort.
    »Werden Sie schießen?«
    Es dauert lange, bis sie ein leises »Nein« hörten.
    »Ich komme jetzt zu Ihnen. Schießen Sie nicht!«, rief
Schwemmer und stapfte los.
    Es war gar nicht so einfach, den Hang hinaufzusteigen
und dabei die Hände hochzuhalten. Nach ein paar Metern hatte er freie Sicht auf
den mageren Jungen, der neben dem schmalen Rinnsal auf dem Boden saß, den
Oberkörper gegen einen Felsen gelehnt. Er zielte mit der Pistole auf Schwemmer.
    »Nicht schießen«, wiederholte Schwemmer. Bretcnik
nickte, aber er nahm die Pistole nicht herunter. Er war leichenblass. Das
rechte Bein seiner Jeans war dunkel von Blut. Als Schwemmer ihn erreichte, sah
er die Waffe in seiner Hand zittern.
    »Das ist übrigens meine«, sagte er ruhig. »Sie haben
sie am Reschberg gefunden, nicht wahr?«
    Petr Bretcnik nickte.
    »Ich war der mit dem Auto.«
    Wieder nur ein Nicken.
    »Was kann ich tun, damit Sie die Waffe runternehmen?
Oder wollen Sie mich als Geisel nehmen?«
    Diesmal schüttelte Bretcnik den Kopf. Er schluchzte
unhörbar, seine Brust zitterte. Endlich ließ er die Waffe sinken.
    »Helfen Sie mir«, flüsterte er heiser. »Bitte helfen
Sie mir.«
    * * *
    »Am letzten Wochenende«, sagte Oberwachtmeisterin
Zettel, »wurden insgesamt drei Gespräche geführt, während denen sich der
Gesprächspartner in Garmisch-Partenkirchen befand, und zwar jeweils im Bereich
Leitlestraße, Kleinfeldstraße. Die überwachte Nummer befand sich in Leck.«
    »Leck?«, fragte Schafmann. »Wie Leck am Arsch?«
    Zettel verzog das Gesicht. »Das ist in
Schleswig-Holstein«, sagte sie.
    Es klopfte, und Bredemaier streckte den Kopf herein.
»Störe ich?«, fragte er.
    »Ja«, sagte Schwemmer. Er warf Zettel einen warnenden
Blick zu, aber sie hatte den Ordner vor sich bereits geschlossen.
    »Ich wollte nur fragen, wie es mit dem Bretcnik
aussieht. Ist der vernehmungsfähig?«
    »Noch nicht«, sagte Schwemmer.
    »Liegt er hier im Krankenhaus? Oder

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