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Die Seherin von Garmisch

Titel: Die Seherin von Garmisch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martin Schueller
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bedankte sich freundlich bei
Lisa.
    »Für mich klingt das«, sagte Schwemmer und erhob sich,
»als hätten Sie auch eine Lebensversicherung.«
    * * *
    »I hab a guads Lebn ghabt.«
    Johanna hatte die Hände vor sich auf dem Küchentisch
verschränkt und vermied, die junge Frau anzusehen, die ihr gegenüber auf der
Bank saß.
    Ihr Lächeln war freundlich, und Johanna konnte keine
Hinterlist darin lesen, trotzdem traute sie ihr nicht. Sie war zu … perfekt.
Sah aus, als hätte sie noch nie in ihrem Leben ein wirkliches Unglück erlebt.
Und wahrscheinlich war es genau so.
    »I hab a guads Lebn ghabt«, wiederholte Johanna.
    Frau Isenwald nippte an dem Filterkaffee, den Johanna
ihr gemacht hatte.
    »Mancher würde das anders sehen. Sie haben Mann und
Tochter verloren, Frau Kindel. Sie haben diese … Gabe, die Sie in
Schwierigkeiten gebracht hat. Und nun müssen Sie alleine Ihre beiden Enkel
großziehen. Ein gutes Leben stellen sich die meisten wohl anders vor.«
    Johanna schloss die Augen und lächelte.
    »Als i jung war, da hab i schwer arbeitn müssn, aufm
Hof drobn. Mei Muatter is gstorbn, da war i zwölf. Und da Vater hatt ja niemand
ghabt. So hab i alles gmacht. Den Stall. De Küch. Des war a schwere Zeit. Aber
dann hab i den Theo kennenglernt, auf da Festwochn. Neunzehnsechzg war des. So
a schöner Mann.« Sie lächelte in sich hinein. »Und ein guter … Vor allem ein guter. De Madln, also mei Freindinnen, de ham immer viel verzählt, über
eanere Burschn. Wenns gsoffn habn oder sie gschlagn. Die Karrnbauer Resi is
manchmal mit da Sonnenbrilln ins Dorf komma, im Winter. Weil ihr Mann wieder
mal mit irgendwas ned zfrieden war. Aber da Theo … der war anders.«
    »Aber Sie haben ihn verloren«, sagte Frau Isenwald.
    »Ja. Aber i hab eam a ghabt. Und des is mehr, als die
meisten ghabt ham.«
    Frau Isenwald spitzte nachdenklich die Lippen. »Und
Ihre Tochter?«, fragte sie.
    »Bienerl …« Johannas Lächeln bekam einen
melancholischen Zug. »Bienerl war … anders. A Wildfang, des wars. Hat auf
niemand ned ghört. Auf den Vater ned, de Mutter schon gar ned. Aber a gutes
Herz hats ghabt. A bisserl zu gut, vielleicht.«
    »Zwei uneheliche Kinder. War das damals nicht …«
    »Besser koan Mann als a Nietn. Das hab i ihr gsagt.
Und die zwoa, also de Väter von dene zwoa, das warn beides Nietn. Aber wo die
Liab halt hinfällt …«
    »Das ist gewiss nicht leicht für Sie, die zwei alleine
großzuziehen.«
    »Was is scho leicht?«
    Johanna schenkte Frau Isenwald Kaffee nach und schob
den Teller mit den Keksen näher zu ihr hin. Frau Isenwald lehnte dankend ab.
    »Aber ganz allein, mit zwei so jungen Kindern …«
    Johanna lachte. »Als die zwoa klein warn, da gabs
keine Probleme ned. Aber heut …«
    »Wissen die beiden eigentlich von Ihren Träumen?«,
fragte Frau Isenwald.
    Aha, dachte Johanna. Jetzat geht’s los. Bislang hatte
die Staatsanwältin das Thema immer nur gestreift, und sie hatte sich schon
gefragt, wie lange sie noch um den heißen Brei herumschleichen würde.
    »Wissn tun de zwoa wenig. Sie ham davon ghört, des ja.
Und da Seve hat als kleiner Bua scho mitkriegt, dass do was los war, zweng dem
Prozess, wanns verstehn, was i mein …«
    In diesem Moment drehte sich ein Schlüssel in der Tür,
und Danni kam herein.
    »Servus!«, rief sie von der Diele her und schnürte
sich ihre Sportschuhe auf, um sie unordentlich vor dem Regal auf dem Boden
stehen zu lassen. In ihren Filzhausschuhen kam sie dann in die Küche
geschlappt.
    »Grüß Gott«, sagte sie in einer Mischung aus
Schüchternheit und Protest, als sie Frau Isenwald auf ihrem Platz sitzen sah.
    »Griaß Gott, mei Liabs. Des is die Frau Doktor
Isenwald. Die hat nur an paar Fragn an mi.«
    »Wegen deine Träum?« Danni sah Frau Isenwald
misstrauisch an. »Nehmens die Großmama mit?«, fragte sie dann.
    Frau Isenwald schüttelte überrascht ihre schwarze
Mähne.
    »Nein«, sagte sie. »Nein, nein. Wir … reden nur.«
    Danni kletterte auf den Stuhl neben ihr, ohne sie aus
den Augen zu lassen.
    »Über was reds denn?«
    »Sei ned neugierig«, sagte ihre Großmutter. Sie hatte
den Kühlschrank geöffnet und holte Butter und Aufschnitt daraus hervor. »’s
gibt a Brotzeit. Kochen tu i auf d’ Nacht.«
    »Passt scho«, sagte Danni.
    »Woaßt, wann der Seve hoamkommt?«
    »Na.«
    Johanna Kindel nahm das Holzlukenbrot aus dem
Brotkasten und schnitt zwei Scheiben davon ab. »Schinkn oder Kas?«, fragte sie.
    »Kas«, antwortete Danni.
    »In welcher

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