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Die Seherin von Garmisch

Titel: Die Seherin von Garmisch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martin Schueller
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ganz ausgezeichnet kleidete.
    * * *
    Severin nahm den Weg durchs Bahndepot, den sie immer
genommen hatten, zum Proberaum. Eigentlich war da der Durchgang verboten. Aber
es war vom Bahnhof halt viel kürzer als hintenrum über die Zufahrt auf der anderen
Seite der Gleise. Anfangs waren sie mal angemacht worden deswegen, aber im
Laufe der Zeit hatten die Leute im Depot sich an sie gewöhnt. Sie waren die
langhaarigen Spinner, die in der alten Halle hinten Radau machten.
    Die Männer auf der Arbeitsbühne, die oben die
geborstenen Fensterscheiben ersetzten, bemerkten ihn nicht, aber drei der
Bahnleute standen vor der Tür an der Seite der großen Wagenhalle und rauchten.
Ihre Blicke folgten ihm, stumm und eisig.
    Da geht der Satanist, stand darin.
    »A ganz a kloane Sach«, hatte Girgl gesagt.
    Die Chemiestunde bei Frau Huber-Gollhuber war an ihm
vorbeigerauscht, ohne dass irgendwas hängen geblieben wäre. Aber irgendwann
während der fünfundvierzig Minuten war ihm klar geworden, welches Versteck
Girgl gemeint hatte.
    Severin war mit der Zugspitzbahn nach Grainau
gefahren, wie immer. Wenn ihn jemand gefragt hätte warum, hätte er irgendwas
gesagt, vielleicht, dass er einfach noch einmal sehen müsste, was passiert ist,
weil etwas in ihm nicht akzeptieren konnte, was gestern dort geschehen war.
Oder was anderes in der Art.
    Er ging um die Wagenhalle herum, vorbei an dem
Getränkelager für die Bergstation, bis zum Rand des Geländes. Hier wehte ein
Flatterband im Wind, und er sah eine erstaunliche Zahl Menschen auf der Wiese
und am Krater, die Gegenstände auflasen und untersuchten.
    »Sie hatten einen Gasofen in Ihrem Proberaum?«, hatte
der Polizist ihn gefragt, und er hatte sehr skeptisch getan, als Severin ihm
sagte, dass die Flasche schon seit beinahe einem Monat in Gebrauch war und fast
leer sein musste.
    Als ob eine einzelne Gasflasche so eine Verwüstung
anrichten könnte. Er ging ein paar Schritte an dem rot-weißen Band entlang und
sah hinüber zur Ruine. Er fröstelte. Es war die Ruine seiner Musik, die er da
sah. Aber er spürte etwas in seinem Hinterkopf hämmern. Du bist du, und die
waren die. Was immer passiert ist, es war nicht dein Fehler. Und Gitarristen
gibt’s überall. Singen kann der Schibbsie auch nicht besser als du. Singen und
Bass geht genauso gut wie Singen und Gitarre. Musst halt mehr üben.
    Musst halt wieder neu anfangen.
    Bist halt allein.
    Wieder mal.
    Er räusperte sich ärgerlich, als er Tränen in der Nase
spürte. Zwischen Huflattich und Sauerampfer stand er vor der Rückseite der
Wagenhalle. Er musste ein wenig suchen, bis er die unverputzte Stelle am Sockel
wiederfand. Dort tastete er die Backsteine ab, bis er auf den einen lockeren
stieß, den er gesucht hatte.
    A Versteck für a ganz a kloane Sach.
    Es hatte ein bisschen gedauert, bis er sich erinnert
hatte. Die Stelle hatten sie zufällig gefunden, letztes Jahr, im Frühjahr, kurz
nachdem Schibbsies Onkel ihnen den Raum überlassen hatte. Sie waren vor der Tür
herumgestreunt, neugierig, und irgendwer, Girgl wahrscheinlich, wenn er sich
nicht irrte, hatte diesen lockeren Stein gefunden und herausgezogen. Und Girgl
hatte dann auch sofort die Idee, da ihr Dope zu verstecken, damit nichts im
Proberaum gefunden werden könnte. Irgendwie schafften sie es tatsächlich, den
Stein zu halbieren. Sie hatten ihn auf einem anderen Stein zerschlagen. Wenn
man den Rest wieder reinsteckte, blieb ein Hohlraum.
    Es war natürlich eine reine Schnapsidee. Sie hatten es
einmal gemacht, und schon beim zweiten Mal war sogar Girgl der Weg zu lästig
gewesen. Das Dope war dann einfach im Raum geblieben. War ja eh nie der Rede
wert gewesen, die paar Gramm, die sie da hatten. Schibbsie war zu geizig und zu
feig, und sie, die anderen drei, waren viel zu pleite, um einen nennenswerten
Vorrat anzuschaffen. Das Versteck war jedenfalls nie wieder Thema gewesen.
    Aber für a ganz a kloane Sach war es genau das
Richtige.
    Severin drehte sich um. Die Leute auf der Wiese
arbeiteten konzentriert, keiner hatte ihn auch nur bemerkt, geschweige, dass
sich jemand für ihn interessierte.
    Er zog den Ziegel heraus und tastete in der Öffnung
herum. Tatsächlich fand er einen wasserdicht verschließbaren Plastikbeutel.
Doch er enthielt weder Gras noch Haschisch.
    * * *
    Dräger war in seinem Element.
    »Wir haben mittlerweile Vergleichsmaterial von Schober
und Schieb bekommen, vor allem Haare. Kindel hat sie uns während seiner Aussage
freiwillig gegeben. Für DNA

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