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Die Seherin von Knossos

Die Seherin von Knossos

Titel: Die Seherin von Knossos Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Suzanne Frank
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noch habe ich je davon gehört.«
    »Dann lerne«, meinte Dion gleichmütig.
    »Es ist ein unverantwortliches Experiment an . an . einem menschlichen Wesen!«
    »Besser an einem Menschen als an einer Leiche«, erwiderte
    Dion.
    »Zumindest sollten wir anderes Blut nehmen!« beschwor ihn Cheftu. »Irmentis ist krank.«
    »Ja, das ist bekannt.« Dion sah ihn eindringlich an. »Weißt du über die Art ihrer Krankheit Bescheid?«
    »Es ist eine seltene Blutschwäche. Alles an ihr deutet daraufhin. Sicher kann ich erst sein, wenn ich ihren Urin untersucht habe.«
    Dion erbleichte. »Ihr Blut ist schwach? Wie würde sich das auf Hreesos auswirken?«
    In dem unwahrscheinlichen Fall, dass er überlebt, dachte Cheftu bei sich. »Er würde Irmentis’ Eigenarten übernehmen.«
    »Blutverlust«, murmelte Dion.
    »Verzeihung?«
    »Nichts.«
    Dion sah ihn kurz an.
    »Nichts Wichtiges.«
    In bedrücktem Schweigen kehrten sie in Hreesos’ Quartier zurück.
    Die Kela-Tenata beobachtete die Sonne, während sie Heil- und Schutzgebete aufsagte, in denen sie Kela anflehte, ihre heilende Hand über Hreesos zu halten. Um sein Bett herum standen Aztlans Kela-Tenata, jede bereit, das Fleisch des Goldenen mit goldenen Röhrchen zu durchbohren, so wie sie die Haut seiner Schwester durchbohrt hatten. Danach würde der Ast aus seinem Bauch gezogen, und dann würde sich herausstellen, ob der Goldene Stier überlebte oder nicht.
    Die Priesterin ließ ihre Stimme ansteigen; der Zeitpunkt war gekommen. Cheftu blickte in Irmentis’ dunkle, wie blinde Augen, wahrscheinlich auf Grund der Schmerzen durch die Hunderte winziger Schläuche, die man ihr unter die Haut geschoben hatte. Eine Priesterin band ihren Arm ab, um das Blut aus ihrem Körper in den von Hreesos zu zwingen. Niko sah zu, die amethystfarbenen Augen zu Schlitzen verengt. Nestor und Dion standen reglos daneben, und Cheftu fragte sich, ob sie Phoebus wohl den Tod oder das Leben wünschten. Würde Nestor nicht seinen Thron erben?
    Heißes Wachs verband die Schläuche mit dem Fleisch, während die Kela-Tenata durch den Raum wandelte, um die Übertragung zu überwachen und zu korrigieren. Dann war der letzte Schlauch befestigt, und alle traten zurück. Die zwei Angehörigen der Königsfamilie lagen wie im Schlaf, verbunden durch Adern aus Gold. Niko würde den Stock herausoperieren, sobald Hreesos zwei Hegat Blut erhalten hatte. Die Kela-Tenata ging herum, entzündete Töpfe voller heilender Kräuter und sang ihre Gebetslitaneien.
    Voller Angst vor einem Fehlschlag verfolgte Cheftu die Prozedur. Was war, wenn Phoebus starb? Was war, wenn ihn dieses Experiment umbrachte? Könnte er mit seinem Gewissen weiterleben? Würden ihn die Aztlantu weiterleben lassen? Zwar hatte er nicht selbst Hand angelegt, doch er war der Ausländer - und damit automatisch verdächtig. Würde Hreesos überleben?
    Dutzende von Kela-Tenata hielten und drückten die goldenen Schläuche, hoben sie auf Irmentis’ Seite an und senkten sie über Phoebus wieder ab. Immer noch ging Phoebus’ Atem flach und unregelmäßig, blieben die Augen hinter den geschlossenen Lidern starr. Der Geruch nach frischem Blut hing in der Luft, und vor dem Zimmer füllte sich, wie Cheftu deutlich hörte, der Gang mit aufgeregten Höflingen und Bürgern.
    Die Übertragung würde mehrere Stunden, mehrere Anläufe mit Irmentis’ Blut brauchen. Die Röhrchen waren winzig, und das Blut rann nur langsam hindurch. Zwischendurch würde sie Kuhblut trinken, um neue Kraft zu schöpfen. Jeder Tropfen, den sie spendete, würde Hreesos’ Überlebenschancen vergrößern und sein Herz ermutigen, weiterzuschlagen.
    Cheftu merkte, dass Nestor und Dion ihn mit dem Patienten und Niko allein gelassen hatten.
    Fast meinte er Chloe sagen zu hören: »Du weißt doch, wie man S-ü-n-d-e-n-b-o-c-k buchstabiert?«
    Irmentis sah eine Lichtung vor sich, ähnlich den vielen auf ihrer wunderschönen Insel, aber doch anders. Die Bäume atmeten, das Wasser sang, alles um sie herum war von Leben erfüllt. Sie war sie selbst, und doch anders - ihre Haut leuchtete, ihr Haar tanzte frei in der leichten Brise. Das Strahlen der Sterne leuchtete aus ihr.
    »Irmentis, meine Schwester.« Die Luft trug ihr die schwache Stimme zu. Phoebus stand, geheilt und gesund, vor ihr, den kraftvollen Körper vom silbernen Licht vergoldet. Das Haar fiel ihm über die breiten Schultern, seine Augen leuchteten von innen wie silberne Teller. »Du gibst mir dein Blut, obwohl du selbst nur so wenig

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