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Die Seherin von Knossos

Die Seherin von Knossos

Titel: Die Seherin von Knossos Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Suzanne Frank
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fraß.
    Langsam schlug er die Augen auf. Seine Wimpern schabten über Metall, und vorsichtig nahm er die Maske über seinem Gesicht ab. Eine Totenmaske? Er sah sich um, ohne feststellen zu können, wo er war. Er wusste, dass es kalt war, doch er spürte die Kälte nicht. Die Wände waren ungeschmückt; tatsächlich sah es hier eher nach einer Höhle als einem Zimmer aus. Wieso war er in einer Höhle? Sein Gehirn begann fieberhaft zu arbeiten und nach einer Erklärung für diesen Wahnsinn zu suchen.
    Unsicher setzte er sich auf, wobei er sich mit beiden Händen an der Lederriemen-Pritsche festhielt, auf die man ihn gelegt hatte. Auf dem Boden lag kalter, pulvriger Staub - wie in einer Höhle. Er stand auf, woraufhin Kraft und Stärke durch die befremdliche Stille in seinem Körper strömten.
    Er erblickte einen Krug, ging hinüber, hob ihn mit Leichtigkeit an und goss Wasser in eine flache Schale. Nachdem er sein Gesicht benetzt hatte, fragte er sich, was er nun tun sollte. War dies noch eine unbekannte Prüfung für den Thron?
    Er senkte die Lider und lehnte sich gegen die Wand. Benommenheit und Orientierungslosigkeit schlugen über ihm zusammen. Phoebus schloss die Augen und kämpfte gegen das an, was wahrscheinlich blanke Erschöpfung war.
    Als er sie wieder aufschlug, blickte er in die Tiefe des Wassers. Wasser, in dem sich zeit seines Lebens unausweichlich sein blauäugiges, goldenhaariges Gesicht gespiegelt hatte.
    Nichts.
    Die Decke der Höhle spiegelte sich durchaus darin. Er stellte einen Krug neben dem Wasser ab. Der Rand des Kruges war zu sehen. Er ließ einen Kamm ins Wasser fallen und sah dessen Spiegelbild, bevor die Wellen es zerrissen. Doch er war nicht zu sehen.
    Schwer schluckend und das Gesicht unter dem Geschmack der Säure verziehend, wandte Phoebus sich ab.
    Eumelos lag zusammengerollt und schlafend auf dem kalkigen Boden. Phoebus trat zu seinem Sohn, wie geblendet von dem Hunger, der ihn plötzlich durchzuckte. Ein Geruch stieg ihm in die Nase, und er bemerkte ein verführerisches Pochen in seinem Kopf. Er ging in die Hocke. »Eumelos? Sohn?« Er schüttelte die knochige Knabenschulter und zuckte zurück, als Eumelos unvermittelt aufschrie.
    Dann lag sein Sohn in seinen Armen, weinend wie das Kind, das er war, und Phoebus’ Arme schlossen sich um ihn, spürten die Knochen unter seinen Händen, das Klopfen des Herzens unter den Schluchzern. »Du lebst! Sie haben gesagt, du bist tot! Ich hab’ ihnen nicht geglaubt, aber sie haben es trotzdem gesagt, wirklich!«
    »Sohn.« Phoebus gab sich alle Mühe, seine Stimme ruhig klingen zu lassen. »Wer hat gesagt, ich sei tot?«
    In Eumelos’ blauen Augen glänzten Tränen. »Der neue Spiralenmeister und Dion. Sie haben dich vom Berg runtergebracht, du warst ganz blutig und schmutzig.«
    Eine blasse Ahnung von Feuer und Schmerz zog durch seinen Kopf. »Aber ich habe noch gelebt?«
    »Sie haben dein Blut mit dem von Theea Irmentis getauscht, und dann hat irgendwas nicht geklappt. Alle haben gebrüllt -« Eumelos wurde von seiner Aufregung übermannt, sein Atem begann zu rasseln, bis Phoebus seinen Sohn in die Arme schloss, um ihn zu beruhigen. Wieso verbreiteten Dion und Cheftu derartige Lügen? Wieso jagten sie seinem Sohn Angst ein?
    »Wo war Nestor?«
    »Er hat zu viel geweint, da haben sie ihn weggeschickt. Sie wollten mich auch wegschicken, aber ich bin nicht gegangen, nicht mal, als Nekros gekommen ist. Er hat eine Maske gemacht und sie dir aufgesetzt.« Das Schluchzen flachte ab, und Phoebus änderte seine Sitzhaltung, denn ihm taten schon die Beine weh.
    »Wie du siehst, Eumelos, geht es mir gut.« Dann sah er an seinen Beinen hinab. Starke Beine, die ihn trugen. Waren sie nicht verletzt gewesen? Doch beide Gelenke funktionierten; Phoebus atmete tief ein und nahm dann seine Hand von Eume-los’ Rücken, um sie sich auf den Bauch zu legen. Wo ihn das Holz gepfählt hatte, war nur eine blasse Narbe geblieben.
    »Wie ... wie viele Sonnenaufgänge ist das her?« Er setzte Eumelos auf sein abgewinkeltes Knie.
    »Ich weiß nicht.« Eumelos wischte sich die Nase und verschmierte dabei den Schleim über sein Gesicht. Phoebus musste lächeln. Bei den Göttern, wie liebte er dieses Kind!
    »Fünf vielleicht?«
    Phoebus spürte, wie seine Arme zu zittern begannen, und er drückte Eumelos an sich, diesmal, um sich selbst zu trösten. Fetzenweise fiel ihm alles wieder ein. Noch mehr Bilder, Ir-mentis - ihre endgültige Zurückweisung. Sein ganzes Leben lang

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