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Die Seherin von Knossos

Die Seherin von Knossos

Titel: Die Seherin von Knossos Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Suzanne Frank
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richtete er sich auf und humpelte weiter. Als etwas anderes auf sein zweites Bein traf, war sein Aufschrei nicht mehr zu hören, so laut dröhnte der Donner. Man konnte kaum noch die Hand vor Augen sehen. Keuchend krabbelte Phoebus durch die verqualmte Luft. Sein Haar fing Feuer, doch er rollte sich ab und drückte es mit dem Rücken aus. Aus einer Eingebung heraus ging er hinter einem Felsbrocken in Deckung, von wo aus er beobachten konnte, wie Feuer durch den Himmel flog.
    Dann war alles vorbei.
    Durch den Nebel der Schmerzen versuchte er, etwas zu erkennen. Keine Lava, nur Felsen und Gas. Apis hatte das Opfer zurückgewiesen. Phoebus bebte; was konnte diesen zornigen Gott noch zufrieden stellen? Er fragte sich, ob Apis ihn wohl als würdiges Opfer betrachten würde. Er wollte nicht sterben! Er durfte nicht sterben!
    Der Goldene Stier schleppte sich über die glühende, felsige Erde und rang darum, die Besinnung nicht zu verlieren. Blut rann über seine verletzten Beine und seinen verbrannten Rük-ken, doch er gab nicht auf. »Hilfe!«, rief er mit ersterbender Stimme. »Helft mir!« Dies war wahrscheinlich das erste Mal in seinem Leben, dass er um etwas bat, wurde ihm bewusst. Er hatte keine Ahnung, wie weit er gekommen war. Alles war grau, die Asche rauchte noch und brannte auf seiner Haut. »Hilfe«, hauchte er. Etwas traf ihn und durchbohrte ihn, sodass Phoebus vor Schmerz aufschrie, ehe er in Dunkelheit versank.
    »Hreesos? Phoebus?«
    Phoebus schlug die Augen auf. »Niko«, keuchte er. »Hilf mir.«
    15. KAPITEL
    Im letzten Moment warf sich Cheftu über Chloe, um sie vor dem kleinen Erdrutsch aus Felsen und Dreck abzuschirmen, der von dem Weg über ihnen herabregnete. Auch nachdem es wieder still geworden war, blieb er reglos und keuchend liegen, bis er sich davon überzeugt hatte, dass sie noch atmete.
    Erst da spürte er die Schnitte und blauen Flecken auf Rücken und Beinen und rollte sich vorsichtig ab. Chloe sprang auf und fegte sich die kleinen Steine von der Haut. »War das ein Ausbruch?« Sie suchte den Gipfel nach frischer Lava ab.
    »Nein, nur eine Gaswolke.« Er zuckte zusammen. »Dadurch haben sich die Steine gelöst.«
    »Wenn sich sogar hier unten die Steine gelöst haben ...« Chloes Stimme erstarb.
    »Hreesos«, flüsterte Cheftu, und schon rannten sie los, den Pfad hinauf, über herabgerutschtes Geröll kletternd und sich vorsichtig an den Klippen entlanghangelnd. Auf den Untergrund war kein Verlass mehr. Die Schreie waren schwach, aber deutlich zu hören. Chloe und Cheftu gelangten auf das Plateau und blieben stehen.
    Was zuvor Gras gewesen war, war nun versengte Erde. In der Ferne konnten sie die skelettartigen Überreste der Tragsessel erkennen, umgeben von verkohlten Gestalten . »Die Träger«, flüsterte Chloe. Sie liefen über die versengte Bergflanke nach Westen, dorthin, wo das blumengetüpfelte Gras immer noch unberührt im Wind flatterte.
    »Deine Gaswolke ist aber kapriziös«, rief Chloe.
    »Ist das die Natur nicht immer?«
    Sie gingen durch das Feld; die Rufe wurden leiser. »Hier, Cheftu!«, brüllte Chloe und kniete nieder. Niko hielt schluchzend seinen sterbenden Freund in den Armen. Wo er keine Verbrennungen hatte, floss Blut, und Cheftu brauchte kein Sanitäter zu sein, um zu begreifen, dass Hreesos die Nacht nicht überstehen würde. Ein kleiner Junge stand an seiner Seite und gab sich alle Mühe, nicht zu weinen, während er auf den blonden Mann hinabsah.
    Mit sanfter Hand prüfte Cheftu die Wunden des Regenten. »Gebrochenes Bein, blutendes Ohr, möglicherweise taub; Verbrennungen auf dem Rücken und -«, er hielt inne, als er den abgerissenen Ast sah, der Phoebus wie ein Speer durchbohrte -, »Bauchwunde.« Er fing Chloes Blick auf und verzog das Gesicht. Hreesos verlor mit jeder Sekunde mehr Blut.
    Von den dreißig Menschen, die Hreesos begleitet hatten, waren nur noch vier am Leben. Ein weiterer Minos war gestorben. Sie begegneten Nestor auf dem Weg nach unten, dann sammelten sie die anderen ein. Ein paar Bürger waren von Erdrutschen verletzt worden; mehr noch waren betrunken. Auf den Booten hatte man voll Entsetzen verfolgt, wie der Berg eine graue Rauchwolke ausgestoßen hatte. Nur die wenigsten hatten die fragliche Rückkehr von Hreesos abgewartet, die meisten waren stattdessen in Richtung Aztlan abgesegelt.
    Die Götter waren gegen sie.
    Phoebus erwachte zwischendurch und schrie nach Irmentis. Dion teilte sein Opium-Kaustück mit ihm, um die Schmerzen des

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