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Die Seherin von Knossos

Die Seherin von Knossos

Titel: Die Seherin von Knossos Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Suzanne Frank
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Vergangenheit zurechtschusterte.
    »Weshalb würdet ihr ihn uns überlassen, Meine Majestät?«, fragte Nestor Senwosret.
    »Horus-auf-dem-Thron hat noch nicht gesprochen.«
    Auf Pharaos Worte hin hielt der Hof den Atem an. Cheftu wagte nicht, die beiden Männer anzusehen; sie hielten sein Schicksal in den Händen. Senwosret klatschte, rief nach Wein, und die verkrampfte Gruppe auf dem Podest entspannte sich wenigstens so weit, dass alle einen Schluck Wein aus ihren Alabasterschalen nehmen konnten.
    »Tritt beiseite, edler Gesandter«, sagte Senwosret über seine Schale hinweg.
    Der Gesandte entfernte sich, und Senwosret wandte sich an Cheftu. »Du bist Ägypter und ein Freund dieses Hofes. Ich würde gern wissen, weshalb du vorziehst, unter Fremden zu
    leben.«
    »Es ist mir so bestimmt, Meine Majestät. Von den Händen Thoths und Hathors so vorgeschrieben.«
    »Ich verbiete es«, sagte Senwosret.
    »Der Schwur Meiner Majestät hat so wenig Gewicht?« Cheftu erkannte an Imhoteps Zischen, dass er zu weit gegangen war, doch bei den Hörnern Hathors, er musste um jeden Preis nach Aztlan!
    Senwosret spießte ihn mit seinem Blick auf. »Ich bin Pharao, mein Wort ist Ma’at. Ich habe dir jede Vergünstigung gelobt.« Er deutete mit dem Kinn nach vorn, und der Schreiber eilte zu Nestor. Senwosret wandte sich wieder an den Gesandten. »Der Herr sei euer Geschenk. Die anderen lasst hier. Sie sind krank und brauchen das Rote und das Schwarze Land Kemts, um gesund zu werden.«
    Pharaos Ton duldete keinen Widerspruch.
    Nestor sah Cheftu finster an. »Bis zur Morgendämmerung, ägyptischer Herr.«
    Senwosret erhob sich, und die Gruppe stieg in seinem Gefolge vom Podest. Überrascht, dass ihn die Beine noch trugen, schritt Cheftu die steinernen Stufen hinab.
    Die Dämmerung fleckte eben den Himmel, als Cheftu beobachtete, wie die Segel gehisst wurden. Der Wind fuhr in die riesigen lila Leinentücher, die akkurat mit einer Krabbe, einem Dreizack und einer Muschel bestickt waren. Die ägyptischen Boote wirkten winzig vor dem Schiff. Auf dem zweiten aztlan-tischen Schiff nahmen die Männer ihre Plätze am Ruder ein.
    Jedes der drei Schiffe hatte vierzig Stiere geladen; selbst wenn einem Schiff ein Unglück zustoßen sollte, würde das geheiligte aztlantische Ritual durchgeführt werden können. Ägypten hatte zwar nur hundert Stiere versprochen, doch Ipi-ankhu hatte es offenbar für angebracht gehalten, die übrigen zwanzig hinzuzufügen.
    Das erste Schiff schob sich vom Kai weg. Der Bug war eben-so hoch wie das Heck des Schiffes, darum schauten die Ruderer diesmal in die entgegengesetzte Richtung. Es war nicht notwendig, rückwärts aus dem Hafen zu setzen oder das massive Schiff zu wenden. Die Sonne wärmte die schwitzenden Muskeln hei jedem Ruderzug im Rhythmus der tiefen Schläge, die Cheftu über das Wasser hinweg hörte.
    »Herr?« Ipiankhu stand an der Reling. Er lächelte und verbeugte sich. »Ich wollte dir noch eine gute Reise wünschen. Bist du sicher, dass du es so willst?«
    Cheftu nickte. Er musste sicher sein; es ging nicht anders.
    Der Wesir hielt Cheftu am Arm fest. »Möge Shu dich sicher deinem Ziel entgegenbringen. Möge Re auf deine Reise scheinen. Möge Nut jede Nacht deine Träume küssen, bis du nach Ägypten zurückkehrst.«
    »Leben, Gesundheit und Wohlergehen«, sagte Cheftu langsam, während er sich noch die nächsten Worte zurechtlegte. Warum nicht?
    »Kannst du Imhotep etwas ausrichten? >Deine Zähne bereiten dir Schmerzen. Lehre deine Kinder, das Mehl für ihr Brot zehnmal zu sieben und nach jeder Mahlzeit Minze zu kauen.c«
    Ipiankhu lächelte und wollte sich schon abwenden, doch Cheftu legte seine Hand auf seinen Arm.
    »Eines noch, Herr .« Er beugte sich näher, und seine Worte gingen im Schlag des Galeerentrommlers unter.
    Ipiankhu ließ sich schwer in seinen Sessel sinken und befahl den Sklaven, ihn im Laufschritt nach Hause zu tragen. Seine Hände zitterten, die Kehle war ihm eng. Er sah an sich hinab. Ägyptisiert. Geschoren wie ein Priester, in den feinsten Schurz gekleidet und mit goldenen Ketten behängt, auf denen ein Pantheon an Göttern und Göttinnen abgebildet war. Seine Hände waren weich, ohne Schwielen oder Narben. Die Hände eines Adligen.
    Mit geschlossenen Augen dankte Ipiankhu seinem Gott, dem Gott seines Stammes, für das Zeichen, das er eben erhalten hatte. Cheftus Geschichte war keine Erfindung! Es war der Wille des Unbekannten, dass Senwosret diese Kammer erbaute. Wieso,

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