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Die Seherin von Knossos

Die Seherin von Knossos

Titel: Die Seherin von Knossos Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Suzanne Frank
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Zähne zusammen und rannte schneller. Ihr ganzer Körper tat ihr weh, doch jetzt spürte sie einen Rausch, eine Art Ekstase, von der sie zuvor nichts gemerkt hatte. Sie donnerte der Blonden hinterher, die ihren Kopf um eine Winzigkeit zur Seite drehte.
    Als Chloe die Ziellinie erblickte, schoss noch einmal Adrenalin durch ihren Leib. Diesen Sieg schulde ich der US Air Force, dachte sie. Die kleine Gruppe am Zieleinlauf wurde immer größer, und dann setzte Chloe über die Brandnarbe im Gras hinweg, mit dröhnenden Ohren und schweißüberströmtem Körper.
    Die Blonde lag zwei Schritte zurück, zwei Schritte zu viel. Chloe senkte keuchend den Kopf und ließ sich eine Krone aus Lorbeerblättern auf den Kopf drücken, dann wurde ihr heißer, flatternder Leib mit Wein überschüttet.
    Wir haben gewonnen!, jubelte Sibylla in ihr.
    Rennen Nummer eins konnten sie abhaken - damit blieb nur noch ein Dutzend.
    AZTLAN
    »Ich habe mir schon gedacht, dass ich dich hier finde«, sagte Phoebus. Niko blickte von dem Stapel an Schriftrollen und Tafeln auf. Sein Gesicht war von Staub und Dreck gezeichnet, und in seinen Haaren hing eine dicke Staubfluse. Phoebus lächelte. »Wie geht die Suche voran?«
    Mit einem zufriedenen Grinsen streckte ihm Niko ein ledernes Rechteck entgegen. Seit Menschengedenken hatten die Aztlantu ihre Legenden in zusammengefaltete Ledertafeln geprägt. Das Leder war hart, rissig, brüchig, sodass Hunderte winziger Linien den Text verdeckten. Niko reichte ihm ein Ölfläschchen. »Mir fehlen noch zwei Tafeln; mach dich nützlich.«
    Phoebus ließ seinen Umhang auf den Boden fallen, setzte sich darauf und begann, das Leder mit Öl zu fetten, um das Bild darauf erkennbar zu machen. Da die Schreibkacheln in das Leder schnitten oder in das Gold drückten, konnte Wasser den Tafeln nichts anhaben. Eine sinnige Vorsichtsmaßnahme, wenn man auf einer Insel lebt, dachte Phoebus.
    »Weißt du, wie Aztlan gegründet wurde?«, fragte Niko.
    Phoebus zuckte mit den Achseln. Er wusste, dass Aztlan in die Zeit vor der Herrschaft der Olympier zurückreichte, aber er hatte sich nie mit den Anfängen ihrer Geschichte auseinander gesetzt. Das wurde nicht gelehrt, darüber sprach man nicht. Wie konnte irgendetwas den Glanz der Sippe überstrahlen? Ich werde es, dachte er. »Ich weiß, was man uns beigebracht hat. Deiner Frage nach zu urteilen würde ich vermuten, dass da noch mehr war?« Er rieb weiter Öl in das feste Leder. Bis jetzt war noch nichts zu erkennen.
    »Was für eine vernünftige Antwort«, sagte Niko. »Jetzt hör dir das an.« Er öffnete eine frisch geölte Schriftrolle. »Vor Menschengedenken wurden ein Mann und eine Frau an das Ufer dieser Insel geworfen. Sie waren allein, doch sie gingen unter einem großen Gott. Er verriet ihnen Geheimnisse durch seine Steine. Es gab nur zwei Gesetze: Ein gewaltsam geraubtes Leben musste mit dem Leben bezahlt werden; die Kraft des Lebens lag im Blut und durfte auf keinen Fall verzehrt werden.«
    Phoebus fiel ihm ins Wort: »Das können unmöglich ihre Gesetze gewesen sein! Das muss ein Mythos sein!«
    »Ich bin noch nicht fertig. Dieser Schrift zufolge zeugte dieses Paar ein großes Volk. Die Menschen begannen auch die anderen Inseln zu besiedeln und ihren Namen wie ihre Fähigkeiten über das Meer hinweg zu verbreiten. Dieses Volk ging mit einem großen, unbekannten Gott, der durch irgendwelche Steine mit ihnen sprach. Dann ging der Patriarch Jawan auf dem Meer verloren. Das Volk wandte sich von seinem Gott ab. Etwas zu verehren, was nicht sehen konnte, war eine zu große Herausforderung.«
    »Glaubst du, dieser Gott ist Apis?«
    Niko faltete den nächsten Abschnitt der Tafel auf. »Du glaubst das genauso wenig wie ich. Einen Stier anzubeten ist nur ein Symbol dafür, die Kräfte der Natur anzubeten. Natürlich bringt irgendwas die Erde zum Beben, doch es ist kein riesiger Stier, auf dessen Rücken wir rasten. Ein Stier hat dieses Land nicht urbar gemacht oder uns beigebracht, wie man Ackerbau betreibt oder segelt.«
    Niko blickte wieder auf die Tafel und las: »Das Volk sprach: >Seht zum Himmel! Lauscht den Hügeln, wie sie brüllen! Hört das Meer, wie es singt! Wie kann es nur einen einzigen Gott geben? Es gibt viele!< So nahmen sie Besitz von dem Wissen, das sie der große Gott gelehrt hatte, und wandten sich ab von ihm. Sie hörten ihn nicht mehr, bis eine große Verwüstung das Land zerriss und es in viele Inseln zerteilte, durch die sich viele Bäche wanden. - Und so

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