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Die Seherin von Knossos

Die Seherin von Knossos

Titel: Die Seherin von Knossos Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Suzanne Frank
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seinen Bruder Osiris ermordet, und nur dank der Gewissenhaftigkeit von Osiris’ Gemahlin hatte der König wieder aufgesammelt und zusammengefügt werden können. In den Augen eines Ägypters war diese rothaarige Tänzerin quasi ein Dämon. Sie war eine Kheft-Magd.
    Dass sie blaue Augen hatte, machte sie noch fremdartiger und dämonischer.
    Sie wirbelte tänzelnd und kreiselnd durch den Saal, um sich schließlich schwer atmend auf die Pelze zu werfen. Ihr Haar streifte Pharaos Fuß, und Ipiankhu schob es hastig beiseite. Es war Brauch, dass der Beschenkte sich nach dem Überreichen der Geschenke revanchierte. Auf diese Weise würden die Stiere und Cheftu selbst übergeben.
    Doch Pharao war ausgesprochen missgestimmt. Würde er gegen die Tradition verstoßen?
    »Bringt dieses Weib fort«, befahl Pharao gepresst. Der Hofstaat spannte sich merklich an, und in Nestors Augen trat ein Glitzern.
    »Sie ist eine Nymphe, eine Maid, wie es bei euch heißt«, erklärte er.
    »Ihr Anblick beleidigt mich!«
    Nestor schnippte mit den Fingern, und die aztlantischen Sklaven führten sie hinaus. Der Gesandte blieb steif stehen, ein beleidigter Pfau. »Zu Ehren eurer Zeremonie des Werdenden Goldenen in diesem Jahr entbieten wir euch die Schätze unseres Landes.«
    Ipiankhu beugte sich vor und flüsterte in Pharaos Ohr. Cheftu sah, wie sich Pharaos Finger um seine Amtsinsignien krampf-ten. »Wir beschenken Hreesos mit Apis-Stieren.«
    Nestor drehte sich um, als hielte er Ausschau danach.
    »Sie werden im Morgengrauen an den Hafen gebracht, damit ihr mit der Morgenflut auslaufen könnt«, sagte Senwosret. Die Bedeutung seiner Worte entging niemandem, und das Gesicht
    des Gesandten lief rot an.
    »Meine Dankbarkeit«, erwiderte er knapp.
    »Meine Majestät teilt mit Hreesos zudem unser wertvollstes Gut. Unser Volk.«
    »Wir werden alles unternehmen, um dankbare Gastgeber zu sein.«
    Ipiankhu klatschte, und die ausgewählten Geiseln kamen herein. Cheftu zwang sich, stur geradeaus zu blicken. Er musste zu ihnen zählen! Ein Adliger und seine Gemahlin, ihrer Kleidung nach zu urteilen. Zwillingsbuben im Alter von zehn Jahren, ein Mädchen kurz vor der Pubertät sowie ein älterer Mann, seinem unägyptischen Bart nach zu schließen ein Kaufmann. Alle waren klapperdürr. Abbilder der Hungersnot, erkannte Cheftu. Senwosret ergriff das Wort. »Auch sie werden morgen früh in der Dämmerung bei eurem Schiff warten.«
    Nestor war außer sich. Er trat näher, und die Leibwächter um Pharao gingen in Habacht-Stellung, die Hand an den Waffen. »Du beschämst Ägypten und Aztlan gleichermaßen«, zischte er. Zwar strengten sich alle im Raum an, seine Worte mitzubekommen, doch nur die fünf auf dem Podest konnten ihn verstehen. »Diese Leute sind krank! Sie sind wertlos für Aztlan.«
    Senwosret sprach, ohne dass sich sein Mund dabei bewegte. »Wir leiden unter einer Hungersnot, ehrenwerter Gesandter. Vielleicht wird euer mächtiges Imperium, wenn es das nächste Mal zu vergewaltigen und plündern beliebt, ein anderes Land auswählen?«
    Nestor erbleichte, offenbar war ihm klar geworden, was er eben gesagt hatte. »Nein, Meine Majestät, natürlich nicht. Ägypten war stets unsere Schwester und wird es immer bleiben, wir sind gemeinsam groß geworden und werden von denselben Göttern geliebt.« Nestors linke Hand spielte nervös am Rand seines Schwertknaufs herum. »Vielleicht überlasst ihr mir dennoch, als Zeichen des guten Willens, wenigstens einen einzigen Gast mit .« »Einem Titel?«, schlug Ipiankhu vor.
    Der Gesandte lächelte. »Ein Titel wäre die Großzügigkeit selbst. Ich bin überzeugt, dass Meine Majestät in ihrer ... Weisheit ... versteht, wie töricht es wäre, wenn ich mit derart armseligen Gaben aus Ägypten heimkehrte. Ich fürchte, mein Rat würde ... an diesen Gestaden mit dir darüber sprechen wollen.«
    Die Drohung war kaum verschlüsselt: Händigt mir eine andere Geisel aus, sonst würde Aztlan einmarschieren.
    »Nimm mich, Herr«, meldete sich Cheftu.
    Nestor drehte sich abrupt zu ihm um. »Wer bist du?«
    »Er ist der vortrefflichste Arzt an unserem Hof«, sagte Imhotep. »Mein Vater, euer Spiralenmeister, würde seine Weisheit gewiss zu schätzen wissen.«
    »Dein Name?«
    »Er ist Cheftu Nechtmer, erster Arzt des Auges, Geliebter Thoths, Auserwählter Nephthys’ und Empfänger der Worte Gottes«, antwortete Ipiankhu. Cheftu kreuzte die Arme über der Brust, verbeugte sich knapp und hörte sich an, wie ihm der Wesir eine

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