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Die Seherin von Knossos

Die Seherin von Knossos

Titel: Die Seherin von Knossos Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Suzanne Frank
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dass ich mit der nächsten Flut in See steche.«
    Der Liebesnebel verzog sich.
    »Mit der nächsten Flut? Du meinst heute Nacht?«
    Erfreut schüttelte Niko den Kopf.
    »Das ist doch Wahnsinn!«
    »Phoebus, Spiralenmeister glaubt, wenn wir diese Steine haben, können wir diesen Gott fragen, wie wir unserem Volk helfen können. Er kann Spiralenmeister verraten, welche Ingredienzien unserem Elixier noch fehlen.«
    »Ihr wahnsinnigen Gelehrten!«, sagte Phoebus. »Ihr lest auf einer verfallenen Tafel, von der noch nie jemand gehört hat, von einem uralten, unsinnigen Mythos, und schon glaubt ihr, ein unbekannter Gott wird uns beistehen? Wie denn? Wird er den Bergen befehlen, sich ins Meer zu stürzen? Das ist eine Legende, mein Freund! Ein Märchen! Wir sind die einzigen Götter in diesem Land; die Sagen von unserem Wagemut werden dereinst Religion werden!«
    »Phoebus, falls dieser Gott existiert, dann hat er Aztlan gegründet. Und wenn dem so ist, dann haben wir uns von ihm abgewendet. Jeden Tag benutzen wir die Gaben, die er uns geschenkt hat. Wir haben vergessen, wer der Gabengeber ist.«
    Phoebus sah seinen Freund eindringlich an. »Dir ist es wirklich ernst damit, nicht wahr?«
    »Wissen ist meine Gottheit, das weißt du. Trotzdem habe ich das Gefühl, dass wir es versuchen müssen, dass wir uns mit Jawans Gott wieder vertraut machen sollten. Ich weiß, dass es die richtige Antwort ist, diesen Gott zu suchen. Es ist die einzige Antwort auf diese Frage.«
    »Und das von dir, der du behauptest, wir könnten nichts wirklich wissen? Du willst wissen, dass du das Richtige tust?«
    Nikos Blick war ganz nach innen gerichtet. »Ich höre einen Ruf, einen Schrei in meiner Psyche, Phoebus. Ich muss ihm folgen. Erst ein einziges Mal habe ich solche Leidenschaft verspürt ...«
    »Du bist ein brillanter Narr!«, rief Phoebus aus.
    Niko lächelte sehnsüchtig. »Vielleicht sind nur die Narren närrisch genug, die Wahrheit zu verstehen.«
    »Wahrheit ist, was wir dazu erklären.« Phoebus runzelte die Stirn und strich das Laken glatt. »Wer reist mit dir?«
    »Drei Seeleute. Nicht einmal Spiralenmeister will sich darauf verlassen, dass ich selbst auf mich aufpassen kann«, murrte Niko. Er packte Phoebus am Handgelenk. »Ich bin zurück, noch ehe du mich vermissen kannst.«
    Du kannst mich nicht allein lassen, dachte Phoebus. Du bist mein liebster Freund und von Geburt an dazu erzogen, mein Magus zu sein. Doch die Worte wollten nicht über seine Lippen. Das konnte doch nur ein Traum sein!
    »Ihr richtet euch nach den Anweisungen auf der Karte? Gibt es die entsprechenden Zeichen noch? Wie lange wird es dauern?«
    Niko lächelte.
    »Du klingst wie eine Sippenmutter.«
    Dann wurde er ernst.
    »Bis mein Auge dich wieder erblickt, Phoebus.«
    Die Männer umarmten sich, dann verschwand Niko und zog die Doppeltüren hinter sich zu.
    AZTLAN
    Der Berg der Kalliope brannte vor Zorn. Kalliope war kleiner, ihre Kanäle waren flacher und schwächer als die ihres Bruders Krion im Süden. Ohne etwas von der Gefahr zu ahnen, siedelten die Menschen an ihren Hängen, wo sie in zwei-, drei- und vierstöckigen Häusern lebten und kleine Kräuter-, Gemüseoder Obstgärten anlegten. Es war die Sippe der Muse, die sich hauptsächlich mit Stoffen beschäftigte.
    Stoffe aus Delos, der Sippe der Muse, wurden ins gesamte Imperium und in die Vasallenstaaten ausgeführt. Die Sippe war berühmt für ihre Segel, die dank ihrer gegeneinander gewebten Streifen den Wind einfingen und die Fahrtrichtung des Schiffes aufs Genaueste halten konnten. Hier wurden Stoffe, teils aus ägyptischem Flachs, teils aus einheimischer Wolle, manche auch aus den feinen Garnen, die in Kaphtor und Kos gehandelt wurden, zu Gewändern verarbeitet.
    Inmitten der schmalen, gewundenen Straßen von Delos’ wichtigster Stadt Arachne drängte sich ein Bezirk von blau gekachelten Häusern. Der Gestank, der von diesem Stadtteil aufstieg, wurde von einem Salzwasserfluss davongetragen, der direkt ins Meer mündete. Die Färber, die hier lebten, erkannte man auf den ersten Blick. Unter allen Aztlantu trugen sie allein nicht die Tätowierung ihrer Sippe. Sie trugen ihr Brandzeichen.
    Die Hände jedes Mannes, jeder Frau und jedes Kindes waren tintenblau, eine Farbe, die mühsam aus der Murex-Muschel gewonnen wurde. In ihrem tiefsten Farbton war es die Farbe der Therossee. Die Farbe war so intensiv, dass einem die Augen davon schmerzten, und von einer solch unirdischen Schönheit, dass es

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