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Die Seherin von Knossos

Die Seherin von Knossos

Titel: Die Seherin von Knossos Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Suzanne Frank
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ragten noch einzelne Gebilde heraus. Y’carus konnte die Umrisse von Frauen und Kindern ausmachen - die bei ihrer überstürzten Flucht zum Meer hin überrollt worden waren. Der Gestank verkohlten Fleisches hing in der Luft. Und über allem lag absolute Stille.
    In der einst so geschäftigen Stadt lebte nichts mehr.
    Er wollte zu dem Haus seiner Bluteltern gehen, doch er hatte es nicht einmal in die Nähe geschafft. Das Gebäude war von einem Dutzend anderer, ähnlicher nicht zu unterscheiden. Alle waren flach gedrückt, talwärts geschoben und unter dem glühenden Auswurf der Erde verschüttet worden. Y’carus kam an einst üppigen Gärten vorbei, die nun unter glühend roten Steinen vergraben lagen; an einem Fluss, der unter Asche und Schutt erstarrt war. Schweigend stolperte er weiter, von so großem Schmerz ergriffen, dass er kaum mehr einen Fuß vor den anderen setzen konnte.
    Nach seiner Suche kehrte er an die Inselspitze zurück, den letzten grünen Fleck - von wo man ihn wieder auf sein Schiff bringen würde.
    Hier waren die wenigen, die dieses Grauen überlebt hatten, versammelt. Die meisten waren nackt, und einige hatten so schwere Verbrennungen, dass sie glänzten, als wären sie mit Öl oder Traubensaft überzogen. Diese Menschen lagen im Sterben, ihre Münder, Zungen, Kehlen waren so verbrannt, dass sie kaum atmen oder schlucken konnten. Ein Mensch, das Geschlecht vermochte er nicht zu erkennen, hatte gekrächzt: »Durst. Durst. Durst.« Als Y’carus aus einem nahen Brunnen Wasser gebracht hatte, hatte er zu husten begonnen und war in Y’carus’ Armen verendet.
    In Gedanken noch in Arachne, zurrte er alle nötigen Taue fest. Aus dem Imperium war Hilfe eingetroffen - ein verspätetes Aufgebot an Männern und Material. Vier Schiffe mit fliehenden Überlebenden hatten es nach Naxos, zur nahen Sippe des Rebstocks geschafft, drei weitere Schiffsladungen mit Überlebenden aus Arachne waren auf hoher See geborgen worden.
    Unter ihnen war kein einziger Färber.
    Während Y’carus Fragen aus seiner Mannschaft beantwortete und seinen Pflichten nachkam, schmorte er innerlich wie die verkohlte Stadt. Hreesos Zelos hatte die Sippe für tot erklärt -denn gewiss waren die Schafe, die Webstöcke, die Schiffe und die meisten der Bürger, die daran gearbeitet hatten, verloren. Und damit war die Sache erledigt. Tausende waren ums Leben gekommen doch das Imperium legte nur kurz Maß an, wog ab und segelte dann weiter. Jetzt sah es so aus, als würde die Insel ins Meer stürzen. Seine teure Neotne würde, eingeschlossen in einen Sarkophag aus blindwütigem Gestein, unter den Wogen versinken.
    Die Skolomantie musste doch geahnt haben, dass ein Ausbruch bevorstand. Der Kult der Schlangenorakel musste davon gewusst haben! Offenbar war beiden eine so kleine Sippe gleichgültig - sie war nicht wichtig genug, um die Menschen zu warnen.
    Er zog seine Klinge und polierte die Bronze mit dem Saum seines Umhangs. Das Imperium ging zu Grunde. Es hatte ihn vergessen. Er hatte sein Leben auf See verbracht, doch er hatte sich darauf verlassen, dass das Imperium für seine Familie sorgte, während er fort war, dass es seine Lieben so schützte, wie Y’carus das Imperium schützte.
    Man hatte ihn getäuscht.
    »Herr?«
    Y’carus sah auf. Sein Erster Offizier stand neben einem großen Mann, dessen Züge unter der dicken Maske aus Asche kaum auszumachen waren.
    Arme gestrandete Narren, dachte er.
    »Wer bist du?«, fragte er.
    Der Mann runzelte kurz die Stirn, dann antwortete er in gebrochenem Aztlantu. Er stellte sich als Cheftu vor, ein ägyptischer Gast. Y’carus rief nach dem Flottenbuch und schlug darin nach, dass Cheftu auf einem der drei Schiffe mitgefahren war, die von Ägypten nach Kallistae gesegelt waren. Ein Gast? Y’carus hatte keinen Zweifel daran, dass der Mann eine Geisel war.
    »Die Apis-Stiere, sind sie ertrunken?«, fragte er.
    Der Ägypter brauchte einen Augenblick, ehe er antwortete.
    »Schick eine Schwalbe los, finde heraus, ob die beiden anderen Lieferungen eingetroffen sind«, wies Y’carus seinen Schreiber an. »Ich bin Y’carus, Kommandant dieses Schiffes«, sagte er. »Sei willkommen.«
    Der Ägypter verbeugte sich auf seine fremdländische Weise, und Y’carus wollte sich schon entfernen. »He ... Herr«, sagte der Ägypter.
    »Ja?«
    »Diese Asche, weißt du, wo der Ausbruch stattgefunden hat?«
    Heftig blinzelnd wandte Y’carus den Blick ab. »Ja.«
    »Gibt es Überlebende? Ich bin ein Magus, ein

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