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Die Seherin von Knossos

Die Seherin von Knossos

Titel: Die Seherin von Knossos Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Suzanne Frank
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schmerzendes Gelenk, doch er war fest entschlossen, nicht zurückzufallen. Y’carus schritt kraftvoll aus und legte mit seinen stämmigen Beinen Henti um Henti zurück.
    Die Sonne stieg allmählich höher, und sie bekamen mehr Menschen zu Gesicht. Familien im Feiertagsstaat spazierten mit ihren Kindern, jungen wie alten, dieselbe gepflasterte Straße hinauf. Ausladende Bäume filterten das Sonnenlicht, und in regelmäßigen Abständen sah Cheftu am Wegrand einen Altar mit Hörnern stehen.
    »Dort können sich die Bittsteller erfrischen, bevor sie Kela erreichen«, erklärte ihm Y’carus.
    »Indem sie sich ausruhen?«
    »Ja, aber auch, weil dort Wasser geschöpft werden kann. Sie können etwas trinken und sich vielleicht sogar ein bisschen waschen, bevor sie den Platz erreichen.«
    Je näher sie dem Platz kamen, desto mehr Menschen sah Cheftu. Männer, alte Frauen, Kinder. Wo steckten die jungen Frauen? Die hatten sich unter einem steinernen Bogen und auf einigen flachen Stufen versammelt. Cheftu kam ins Straucheln, als er die erste junge Frau erblickte.
    Dabei sah er gar nicht in ihr Gesicht, sondern nur auf ihre Kleidung. Oder eher auf die fehlende Kleidung. Schnell wandte er mit heißen Wangen das Gesicht ab. Er hatte schon viele Kleider gesehen, die ebenso viel enthüllt hatten, doch noch nie war das so provokativ zur Schau gestellt worden. Verstohlen musterte er die nächste Frau, dann noch eine.
    »Y’carus«, meinte er gepresst, »sind das alles, ähmm ...«
    Er sah den jungen Kapitän an.
    »Nein.«
    Y’carus schlug Cheftu auf die Schulter.
    »Die Tempeltänzerinnen sind diejenigen, die sich verführerisch kleiden. Sie zeigen ihre Schulter.« Sein Ton war fröhlich, allerdings senkte er sich bei dem Wort »Schulter«.
    Cheftu musste auf seine Zunge beißen, um sich das Lachen zu verkneifen. Eine Frau, die ihre Schulter zeigte, war verführerischer als diese dunkeläugigen, wespentaillierten Frauen, die ihre Brüste wie Opfergaben darboten?
    Je dichter die Menge wurde, desto langsamer wurden ihre Schritte. Fliegende Händler drängten durch die Menschen, um gegrillte Garnelen feilzubieten, Orangen, in Kräutern gewälzte Ziegenkäsebällchen, Sesam- und Honigstreifen, Wein, Votivstatuen oder Blumenkränze. Die festliche Atmosphäre war ansteckend, und die Seesoldaten bewegten sich allmählich lockerer.
    Niemand betrat allerdings den riesigen gepflasterten Platz hinter den Stufen und den von Bäumen überschatteten Garten.
    Drei Stockwerke über dem Platz erhob sich ein kleiner Portikus, unter dem eine einzelne rote Säule vom Boden bis zum Dach aufragte. Auf der überschatteten Mauer dahinter konnte Cheftu mit Mühe ein Gemälde ausmachen.
    Der Portikus war Teil des Palastes, der sich aus einer Unzahl von safrangelben und weißen Kuben zusammensetzte, die unterschiedlich hoch und in verschiedenen Winkeln aufeinander gestapelt waren. Auf den von roten Säulen gestützten Veranden und Balkons drängten sich die Menschen, winzige Gestalten aus dieser Entfernung. Heute schaute ganz Kaphtor zu, konnte man meinen.
    Ein Klingeln wie von einem Sistrum ließ die Menge verstummen. Cheftu entging nicht die verzückten Mienen der Seesoldaten. Den Dreizack in einer Hand, die andere Hand in die Hüfte gestemmt, starrten sie wie gebannt auf den leeren Platz. Das Näseln von Flöten stieg in die Luft, ein klagender Laut in Moll, der absolute Stille eintreten ließ.
    Die Tänzerinnen kamen heraus, unbekümmert und wie rasend kreiselnd, und Cheftu hielt den Atem an, angesteckt von der Spannung der Menschen in seiner Nähe. Würde er Chloe wenigstens ein paar Stunden lang vergessen können? Der Kummer drückte ihn nieder. Dutzende Tänzerinnen füllten jetzt den Platz, um auf einen Schlag stehen zu bleiben, sodass sie vor dem weißen Stein ein atemberaubendes Bild aus grellem Rot, Blau und Gold abgaben. Einige der Frauen hatten Hüte, andere trugen ihr Haar offen.
    Und jede Einzelne hatte hochgedrückte, verlockende Brüste. Cheftu schloss die Augen. Was war er für ein Mann - nein, Tier -, dass es ihn so kurz, nachdem er seine Frau verloren hatte, schon wieder nach dem Leib einer anderen gelüstete? Er machte die Augen wieder auf und wich angewidert zurück. Alle Frauen waren mit Schlangen behängt.
    Die Musik setzte langsam wieder ein, und die Tänzerinnen teilten sich in Gruppen auf.
    »Sie werden die Legende der ersten Ankunft Kelas nachspielen«, flüsterte Y’carus.
    Cheftu beobachtete, wie eine Gruppe von Frauen so

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