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Die Seherin von Knossos

Die Seherin von Knossos

Titel: Die Seherin von Knossos Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Suzanne Frank
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tat, als würde sie die Erde bestellen, wobei sie sich über die Stirn wischten und das Gesicht über der harten Arbeit verzogen. Eine zweite Gruppe von Frauen stieg zu ihnen herab, zertrampelte die Felder und griff die erste Gruppe an.
    »Der Wilde Winter, die Zeit der Schlange«, erläuterte
    Y’carus. Die erste Gruppe begann zu trauern, sich das Haar auszureißen und imaginäre Asche auf ihre Häupter zu reiben. Als die Melodie tiefer wurde, trat eine einzelne Frau aus dem Gebäude. Offensichtlich stand sie für Kela.
    Sowie sie ins Freie trat, verlor Cheftu den Faden der Geschichte. Die Frau schlug eine Saite so tief in seinem Inneren an, dass er die Hände zu Fäusten ballen musste, um sie nicht nach ihr auszustrecken. Ihr Gesicht war auf diese Entfernung nicht auszumachen, doch ihre Anmut war unübersehbar. Mit langsamen, wellenförmigen Bewegungen lockte sie die Früchte aus der Erde. Cheftu vermutete, dass die »Früchte« in diesem Fall die Tempelprostituierten waren, denn die ließen ihre Schultern aufblitzen, was die Menge zum kollektiven Stöhnen brachte.
    Erregung lag in der wärmer werdenden Luft, denn der Tanz wurde immer eindeutiger. Nun tanzte eine andere Frau mit Ke-la.
    »Sie ist der Stiergott«, flüsterte Y’carus. »Sie trägt den Stiefel.«
    Die Tänzerin verwandte eine Schlange und jede Menge Phantasie darauf, die Erdmutter zu schwängern.
    Cheftu verlagerte sein Gewicht auf den anderen Fuß und versuchte, die Tänzerin nicht anzustarren, sie nicht zu begehren. Sie war nicht Chloe. Stattdessen blickte er auf den Palast. Er war groß, aus Stein und hart ... hart ... Er schluckte und sah wieder auf die Frau.
    Die Tänzerinnen bewegten sich nun im Kreis, in einem komplizierten Muster, das sich erst hin und dann wieder her drehte wie das Rad eines Töpfers. Cheftu nahm die Bewegungen durchaus wahr, doch vor allem kämpfte er gegen die irrationale Lust an, die er für die unbekannte Tänzerin empfand. Er hatte keine Ahnung wieso, er wusste nur, dass er diese Frau begehrte. Mit jeder Faser. Die Frauen tanzten mit ihren Schlangen auf eine Weise, die jede Erklärung erübrigte. Die Schlange seiner
    Frau glitt über ihre Brüste, wodurch ihr Tanz wilder, erotischer wurde. Die Hände auf die Handgelenke der anderen gelegt, liefen die Priesterinnen leichtfüßig in Spiralen, die sich mal nach innen, mal nach außen drehten und sich dabei zu komplizierten Bildern fügten. Cheftu konnte einfach nicht den Blick von ihnen wenden.
    Die Tempeltänzerinnen lagen auf dem Boden und wanden sich in einer Imitation der Ekstase, mit der sie die Menge zum Wahnsinn trieben. Noch nie war ihm der Sommer so verlok-kend erschienen.
    Plötzlich schrie eine Frau auf, und alle erstarrten.
    »Ich bin Kela!«, kreischte sie.
    Zu Cheftus Erleichterung war es nicht seine Frau.
    »Ich bringe Fruchtbarkeit und Zeugungskraft. Feiert mit mir!«
    Fünf Männer schossen aus dem Publikum nach vorne zu der Kela-Frau. Sie tanzte mit ihnen und lockte sie mit schnellen Bewegungen immer näher. Einer nach dem anderen kam bei dem rasenden Tanz ins Stolpern und kehrte ins Publikum zurück. Nur dem fünften gelang es, mit ihr Schritt zu halten und die Hände auf ihre Taille zu legen. Unter dem Jubel der Menge verschwanden die beiden tanzend im Palast.
    Die anderen Tänzerinnen kamen näher an die Menge heran. Jede schien einen Partner auszuwählen, und Cheftu öffnete den Mund, um das Rasseln seines Atems zu senken. Wen würde seine Tänzerin wohl wählen?
    Ihre Schritte führten sie ganz in seine Nähe, und jetzt endlich sah er auch das Gesicht der Frau. Atemberaubend. Ihr Blick flog über ihn hinweg, und er stöhnte laut auf. Das Geräusch ging in dem allgemeinen Getobe unter, und sie ging weiter.
    Aus dem einsäuligen Portiko war deutliches Stöhnen und Keuchen zu hören. Cheftu war fassungslos; er stand in Flammen. Seine Tänzerin suchte immer noch nach einem Partner, weshalb er sich ganz auf sie konzentrierte, um sie durch seinen
    Willen zu sich her zu locken. Wieder fing er ihren Blick auf. Ihre Miene, ihre Augen brachten sein Blut zum Kochen.
    »Die Sibylla will dich«, sagte Y’carus und schob Cheftu nach vorne. »Doch sie wird dich nicht erwählen, wenn du die Hand nicht ausstreckst.«
    Das ist nicht das Einzige, was ich gerade ausstrecke, dachte Cheftu. Er trat vor, mit kaltem Schweiß auf dem Rücken und stieß die Hand vor. Um ihn herum standen hundert Männer mit ausgestreckten Händen und vorstehenden Schurzen. Mich, dachte

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