Die Seherin von Knossos
Cheftu. Mich. Nimm mich.
Ihr Blick traf auf seinen, und er spürte eine Berührung an seiner Hand. Sofort schloss er seine Finger um ihre. Sie zog ihn nach vorne, und er folgte ihr, heraus aus dem Kielwasser enttäuschter Kaphtori. Die Tanzschritte waren einfach, er brauchte nur ihre Bewegungen nachzuahmen. Es war eine langsame Verführung, ein Vorgeschmack auf das wechselseitige Geben und Nehmen, das mit näherem Kennenlernen einherging.
Das Paar unter dem Vorsprung war der Erfüllung nahe. Cheftu beobachtete die Frau vor ihm, deren Brüste sich im Tanz wiegten, deren mehrlagiger Rock lebendig wirkte vor Energie und Leidenschaft. Er sah nirgendwo eine Schlange - eine Erleichterung. Schließlich lagen seine Hände auf ihrer Taille, und sie traten in den Schatten.
Sie kamen in einen Gang, wo sie stehen blieb, ihren erhitzten Körper an seinen gepresst.
Ohne irgendeine Aufforderung küsste er sie, mit offenem Mund und rasendem Herz. Ihre Nägel versengten aufs Köstlichste seine Brust, und dann packte sie ihn mit aller Kraft. Er stöhnte unter ihrem Mund und riss die Augen auf. Irgendwo ging eine Tür. Seine Finger berührten ihre so weiche Haut, ihre Brüste füllten seine Hände, nur die Brustwarzen drückten hart gegen seine Handfläche.
Sie löste seinen Schurz, als hätte sie das schon tausendfach getan, und sank dem Stoff hinterher zu Boden. Cheftu fummel-te an ihrem Gürtel herum, bis sie ihn mit einem leisen Lachen selbst öffnete, wodurch auch ihre Jacke aufging und ihre Röcke sich lösten.
Draußen steigerten sich die Priesterinnen in eine Ekstase von Todeswehen. Kela wurde wieder willkommen geheißen; die Schlange lebte, der Schmetterling flog, die Ernte würde eingeholt. Die Zeit des Stieres hatte begonnen.
Die Frau hörte auf, sich weiter auszuziehen und bestieg ihn, bis ihre Leiber langsam verschmolzen. Cheftu schloss die Augen, und erst jetzt drang die Tragweite dessen, was er da tat, in sein Bewusstsein vor, so wie sein Fleisch in ihres drang.
Auf diese Weise konnte er sich beinahe vorstellen, sie sei Chloe. Auf diese Weise kam es ihm vor, als würde jeder Muskel seines Körpers, jedes noch so kleine Teil seines Wesens sie wieder erkennen. Sie ritt ihn rücksichtslos. Einen zusammenhängenden Gedanken zu fassen war unmöglich, so verrückt machten ihn ihre hemmungslosen Schreie und Bitten, während er sie mit aller Kraft an sich drückte.
Er spürte Tränen auf seinem Gesicht und rollte sich über sie, bis sie die langen Beine um seinen Leib schlang und den Rük-ken durchbog, um ihn noch besser aufzunehmen und reizen zu können. Mit einem verschluckten Aufschrei, das Gesicht an ihrem Hals vergraben, kam Cheftu zum Höhepunkt.
Ihr Höhenflug setzte ein, kaum dass seiner beendet war, und Cheftu spürte, wie ihn ihr Körper neuerlich melkte.
Schweigend blieben sie nebeneinander liegen. Zwei Fremde, intim vereint. Er ertrug es nicht, die Augen zu öffnen und nicht Chloe zu sehen. Eine Weile döste er vor sich hin, verloren in einem Meer von Befriedigung, einem Morast von Schuld.
Sibylla starrte an die Decke. Der schweigsame Mann blieb auf ihr liegen, drückte sie auf den Boden, presste das Muschelmuster in ihren Rücken. Dennoch fühlte er sich gut an, wie eine willkommene Last. Mehr noch, sie verzehrte sich nach ihm: seiner Haut seinem Geruch, seiner Berührung. Von jenem Moment an, als ihr Blick auf den dieses Mannes mit den goldenen Augen getroffen war, war ihr klar gewesen, dass mehr als nur eine rituelle Vereinigung folgen würde, falls sie ihn erwählte.
Die nicht nur ein einziges Mal geschehen durfte.
Sein kurzes Haar lag feucht auf ihrer Wange, und sie spürte noch mehr Nässe an ihrem Hals. Weinte er vor Glück? Sie schloss die Augen und fragte sich, wie man ihre Entscheidung, einem Ausländer den Vorzug vor allen Kaphtori zu geben, wohl aufnehmen würde. Er war ganz eindeutig kein Aztlantu. Dem schlichten weißen Schurz, der jetzt verknittert unter ihnen lag, und dem Anhänger nach zu schließen, den er abgeworfen hatte, nachdem er sie damit am Kinn getroffen hatte, war er Ägypter. Sie rutschte unter ihm weg, und er setzte sich auf, um sich mit abgewandtem Gesicht abrupt von ihr zu lösen.
Er blickte zur Tür hin, die Beine übereinander geschlagen, die Arme auf die Knie gestützt. Dann räusperte er sich.
»Ich bin Cheftu Nechtmer. Aus Ägypten.«
Sein Aztlantu war mehr als schlecht.
Sibylla setzte sich ebenfalls auf, zog ihren Rock herunter und warf das Haar über die
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