Die Sehnsucht der Krähentochter
prachtvoller
gewordenen Kirche ritten sie gemächlich auf hochbeinigen Rappen heran. Die
Teichdorfer empfingen sie mit stummen Blicken. Einerseits waren sie beruhigt
angesichts des Schutzes, den diese Männer versprachen, andererseits auch
enttäuscht, dass sie kein einziges Geschütz dabei hatten. Auch handelte es sich
nicht um ganz so viele, wie es erwartet worden war. Würden sie ausreichen, um
den Ort zu verteidigen, falls der Weg der Franzosen hier entlang führen sollte?
Auf den Umhängen lag
eine Schicht aus feinem Staub. Unrasiert und müde die Gesichter, aber
einsatzbereit die Waffen. Zuerst die berittenen Soldaten, angeführt von
Offizieren, dann folgten jene zu Fuß, in ausgelatschtem Schuhwerk, außerdem
zwei Gepäckwagen, ein paar Helfer und Diener, und zum Abschluss noch einmal
eine kleine Reitergruppe.
In der Mitte des
vorderen Kavalleriezuges wurde von zwei Eseln eine Sänfte getragen, die nicht
ganz so viel Eindruck machte wie die des wieder abgereisten Kardinals aus Freiburg.
Überhaupt erinnerte nichts mehr an den vergangenen Sonntag. Etwas Düsteres ging
von diesen Männern aus, etwas, das die Erleichterung über ihr Erscheinen nicht
so recht aufkommen lassen wollte.
Als
hätte Blum das bereits vorhergesehen, hatte er am Vorabend noch einmal in einer
Ansprache erklärt, dass diese Truppen wie vom Himmel gesandt kämen. »Die
französische Armee rückt dem Schwarzwald immer näher«, hatte er vor der Kirche
verkündet. »Wie es heißt, beabsichtigt ihr Befehlshaber, General d’Orville,
sich mit Arnim von der Tauber zu verbünden.«
Der
Name Arnims löste Entsetzen aus. Es war noch nicht vergessen, welche Schrecken
er mit seinen protestantischen Kampfeinheiten vor wenigen Jahren über ganz
Baden gebracht hatte.
»Die
Gefahr durch d’Orville und Arnim von der Tauber kommt aus Westen«, rief Egidius
Blum. »Aber auch unsere Sicherheit. Denn die Männer, die Teichdorf beistehen,
stammen ebenfalls weit aus dem Westen. Aus dem fernen Spanien.« Er fuhr fort,
indem er erklärte, dass Spanien im Gegensatz zu Frankreich den Kaiser voll und
ganz unterstütze. Außerdem würde bereits seit Jahren zwischen der spanischen
Krone und Frankreich ein gnadenloser Krieg geführt.
Die
Menschen hatten seine Worte noch gut im Ohr, während sie beobachteten, wie die
ersten der Neuankömmlinge vor dem Gasthaus Halt machten und von ihren Pferden
stiegen. Die Soldaten, die sich schon länger im Ort befanden, strömten sofort
aus dem Gebäude, und es kam zu einer lauthalsen, überschwänglichen Begrüßung.
Flaschen mit badischem Wein wanderten von Hand zu Hand. Die spanische Sprache
schallte vollmundig und fremd durch die kleine Ortschaft.
Fast
unbemerkt von den Einheimischen, hoben drei der Soldaten einen Mann aus der
Sänfte, um ihn behutsam ins Gasthaus zu tragen. Niemand hätte später sagen
können, wie sein Gesicht aussah, doch es wurde bekannt, dass für ihn ein großes
Zimmer unter der Giebelspitze freigemacht worden war. Aus dem Fenster, das zu
diesem Raum gehörte, ertönten von jetzt an oft die wimmernden Töne einer Geige.
Wie sich herumsprach, handelte es sich dabei um ein außergewöhnlich edles
Instrument, das aus der italienischen Stadt Cremona von einem berühmten
Geigenbauer namens Amati stammte.
Am nächsten Abend, als
die Dämmerung sich über die Dächer schob, hörte man zum ersten Mal den Klang
dieses Instrumentes. Um dieselbe Zeit verließ ein Wagen den Ort, die Ladefläche
voll gestellt mit dem ganzen Hab und Gut einer Familie. Der Schultheiß war kurz
zuvor, nach einem Streit mit Pfarrer Blum, kurzerhand abgesetzt worden. Oder er
war von sich aus von seinem Amt zurückgetreten. Das wurde nie ganz geklärt.
Kornbacher kehrte jedenfalls nie wieder zurück nach Teichdorf.
Weder von der Ankunft
weiterer spanischer Soldaten noch von der plötzlichen Abreise Kornbachers hatte
Bernina etwas mitbekommen. Seit dem Sonntag des Kirchenfestes hatte sie sich
nicht mehr in Teichdorf aufgehalten. Der Petersthal-Hof forderte ihre gesamte
Aufmerksamkeit. Aber es war nicht nur das. Da war auch dieses unbehagliche
Gefühl, das sie auf dem Kirchplatz ergriffen hatte, diese kaum fassbare Ahnung
künftigen Unheils.
Außerdem
gab es nach wie vor keine Spur von ihrer Mutter. Ihre Hütte erschien weiterhin
wie unberührt. Und dann war da noch Anselmo. Bernina wusste nicht mehr ein noch
aus. So glücklich waren sie miteinander gewesen. Drei Jahre großer
Anstrengungen lagen hinter ihnen, gleichzeitig schöne,
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