Die Sehnsucht der Nacht: Erzählungen (German Edition)
Beispiel wäre, dass wir in der Erde schlafen und die Seelengefährtinnen es nicht können, solange sie noch nicht voll und ganz zur Karpatianerin geworden sind. Seelengefährten ertragen es nicht, über längere Zeitspannen getrennt zu sein. Wir haben eine starke telepathische Verbindung zueinander und müssen sehr häufig das Bewusstsein unseres Gefährten anrühren, weil sonst der eine um den anderen zu trauern beginnt. Und da Karpatianer nicht voll und ganz in der menschlichen Welt existieren können, ist es für gewöhnlich das Beste, wenn der Mensch in unsere Welt eintritt«, erklärte Traian.
Jubal und Gabrielle wechselten einen langen, besorgten Blick.
»Und was genau erfordert das?«, fragte Jubal misstrauisch.
»Jubal …«, protestierte Joie.
»Nein, ich will wissen, wovon er spricht.« Er sah seine Schwester nicht an, sondern hielt den Blick auf Traian gerichtet. Jubal erwartete eine Antwort, von Mann zu Mann und würde sich nicht ohne eine klare Aussage zufriedengeben.
»Joie hat sich bereit erklärt, in meine Welt zu wechseln, Jubal«, sagte Traian mit leiser, ruhiger Stimme. »Ich werde sie beschützen und behüten und mein Leben lang dafür sorgen, dass sie glücklich ist. Die Verwandlung wird sie ihrer Familie nicht entfremden. Sie wäre niemals glücklich ohne euch. Ich hoffe, dass du und deine Schwester, aber auch deine Eltern, mich genauso in eurer Welt und Familie akzeptieren könnt, wie mein Volk Joie in meiner akzeptieren wird.«
Jubal fluchte leise und wandte sich ab, um in die Nacht hinauszustarren. »Hast du das auch gut durchdacht, Joie? Ist dir klar, was er von dir verlangt?«
Sie ging zu ihrem Bruder und umarmte ihn. »Ich habe nie das Gefühl gehabt, als gehörte ich wirklich irgendwo dazu, Jubal. Ich akzeptierte, dass ich anders war, und ich war auch glücklich, weil ich meine Arbeit mag und meine Familie liebe, doch ich will mehr als das. Traian hat mir mehr geboten, und ich habe mit beiden Händen zugegriffen.«
»Hörst du nicht, was er dir sagt? Diese Verbindung ist nicht wie eine Ehe unter Menschen, Joie, wo du gehen kannst, wenn es nicht klappt.«
Traian trat neben Joie und verschränkte die Finger mit den ihren. »Seelengefährten wollen nicht nur zusammen sein, Jubal, sie können gar nicht anders. Sie finden einen Weg, damit es gut geht. Ein karpatianischer Mann weiß, was seine Seelengefährtin glücklich macht, und tut alles in seiner Macht Stehende, um es zu erreichen. Und das gilt für beide Seiten. Wir haben eine telepathische Verbindung zueinander, die uns immer offen steht, sodass wir also gewissermaßen daran gewöhnt sind, im Kopf des anderen zu leben. Ich weiß, dass das alles sehr gewöhnungsbedürftig für Joie sein wird, und ich gebe mein Bestes, um ihr so viel Freiraum zu lassen, wie sie braucht. Aber sie lernt sehr schnell.«
»Es ist das, was ich will, Jubal«, beharrte Joie. »Also freu dich für mich, statt dich zu sorgen.«
»Ich kenne dich, Joie. Du wirst dich nicht damit zufriedengeben, tatenlos zuzusehen, wenn Vampire sich in der Nähe herumtreiben, sondern dich aufmachen, um die Welt zu retten.«
Joie konnte ihren Bruder nicht belügen. »Wahrscheinlich schon. Andererseits habe ich ohnehin nicht die Absicht, meinen Beruf aufzugeben, und dachte, dass Traian vielleicht mit mir zusammenarbeiten möchte.«
»Gerade deswegen ist es nötig, dass du mir vertraust, Jubal«, warf Traian ein. »Ich kann nicht zulassen, dass Joie irgendetwas zustößt.«
Jubal lachte humorlos. »Du kennst sie nicht, falls du glaubst, du könntest sie beschützen. Es ist mehr als nur wahrscheinlich, dass es eher umgekehrt sein wird.«
»Entschuldigen Sie die Unterbrechung, doch ich lebe nun schon seit geraumer Zeit unter Karpatianern«, wandte Gary ein. »Traian ist einer der Uralten und weitaus mächtiger, als Sie sich auch nur vorstellen können. Karpatianische Männer lassen nicht zu, dass ihre Frauen in irgendeiner Weise Schaden nehmen.«
»Schon möglich, aber Sie sind offenbar noch nie jemandem wie Joie begegnet«, versetzte Jubal. »Sie hält sich für die Beschützerin der ganzen Welt.«
»Zumindest kämpfe ich gegen Menschen und nicht gegen winzige Organismen, die man nicht sehen kann und gegen die man auch nichts unternehmen kann.«
»Hey, Moment mal,«, protestierte Gabrielle. »Lenk nicht ab, Joie, denn wir reden hier nicht von mir.«
Traians Mundwinkel verzogen sich zu einem kleinen Lächeln. »Ich glaube, ihr verkennt mich unserer ersten Begegnung
Weitere Kostenlose Bücher