Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Sehnsucht der Smaragdlilie

Die Sehnsucht der Smaragdlilie

Titel: Die Sehnsucht der Smaragdlilie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Amanda Mccabe
Vom Netzwerk:
nicht verraten, wer sie sei, weil sie es nicht wüsste? Natürlich wusste sie, wer sie war! Sie war Marguerite Dumas, die „Smaragdlilie“, treue Dienerin Frankreichs. Von niemandem abhängig, ging sie ihren Weg durch diese Welt. Seit ihrem fünfzehnten Lebensjahr hatte sie nur das gewollt, hatte sie nur darauf hingearbeitet.
    Doch wenn sie in Nikolais Nähe war, verschwand das alles. Ihre Welt kam ins Wanken, zersprang, verwandelte sich in etwas Neues, Fremdes, etwas, das sie nicht wiedererkannte. Wenn sie ihm nahe war, wurde sie von diesem rastlosen Sehnen überwältigt, dem Sehnen nach etwas, das sie nicht zu benennen vermochte.
    Und dann wusste sie nicht, wer sie war.
    Marguerite erhob sich von der Truhe und trat vor den Spiegel. Sie trug nur ein ärmelloses, dünnes Hemd. Das Haar fiel ihr offen über die Schultern. Das feine Gewebe war beinahe durchsichtig; es enthüllte ihre schlanke Figur, die zarten rosa Knospen. Wie ein nächtlicher Geist schien sie nur aus Weiß und Silber zu bestehen.
    Marguerite betrachtete sich erstaunt. Sicher würde sie gleich wie ein Nebelhauch verschwinden, und niemand würde sich daran erinnern, dass sie überhaupt existiert hatte. Sie warf eine lange Haarsträhne über die Schulter und starrte auf das winzige rote Mal direkt auf ihrer Brust. Nikolai hatte es dort hinterlassen. Es war eine Erinnerung an ihre wilde Liebesbegegnung auf dem Boden des Theaters. Eine Erinnerung an Nikolais Berührung, an das überwältigende Verlangen, das er in ihr geweckt hatte.
    So konnte es nicht weitergehen. Er lenkte sie von ihrem Auftrag ab, und jeder Fehler konnte sich als fatal erweisen. Nach dem Fehlschlag in Venedig hatte sie noch einmal eine Chance erhalten, eine letzte Chance. Ihr war, als würde sie zitternd und schwankend auf einem Drahtseil balancieren, unfähig, vor oder zurück zu gehen.
    Sie musste entscheiden, ob und wann sie von dort oben hinuntersprang.
    Ohne noch lange nachzudenken, wandte Marguerite sich rasch vom Spiegel ab und griff nach ihrem Mantel. Sie warf sich den schwarzen Samt über und verließ auf bloßen Füßen geräuschlos ihr Zimmer.
    Auf den Korridoren war es still. Nur das leise Schnarchen der Pagen auf ihren Strohmatratzen und das Knistern der Fackeln waren zu hören. Hinter einigen der geschlossenen Türen ließen sich Schreie und Seufzer der Leidenschaft vernehmen. Niemand hielt Marguerite auf, als sie jetzt die Treppen hinunter und durch das Labyrinth der Säle schlich. Sie streifte sich die Kapuze des Mantels über, um ihr helles Haar zu bedecken und ihr Gesicht zu verbergen.
    Der Flügel, in dem die Spanier logierten, lag genauso verlassen da wie der Rest des Palastes. Doch es gab Anzeichen dafür, dass man beieinander gesessen hatte – leere Kelche und verstreute Karten, eine Laute, die achtlos in einer Ecke zurückgelassen worden war. Auf Zehenspitzen ging Marguerite auf eine Tür zu, die sich halb verborgen hinter einem Wandbehang befand, und fasste prüfend nach der Klinke. Die Tür war nicht verriegelt und sprang sofort auf. Kaum fähig zu atmen, betrat Marguerite das Zimmer und schloss die Tür hinter sich.
    Nikolai schlief nicht. Ein offenes Buch neben sich, lag er gegen die Kissen gelehnt in seinem Bett. Flackerndes Kerzenlicht beleuchtete die zerwühlten Betttücher. Sie konnte sehen, dass er unter dem Laken nackt war. Seine Haut hob sich golden von dem weißen Leinen ab, und unter dem dünnen Stoff waren die Linien seines Körpers zu erkennen. Marguerite erinnerte sich, wie dieser Körper sich an den ihren geschmiegt hatte, und erbebte.
    Nikolai blickte auf und runzelte die Stirn. Mit der Hand tastete er zum Rand eines Kissens. Marguerite war überzeugt, dass darunter ein Dolch versteckt lag. Doch Nikolai blieb still liegen, als sie jetzt die Kapuze abstreifte, und machte große Augen, als Licht auf ihr Gesicht fiel.
    Gewiss würde sie einen Preis zahlen müssen für das, was sie heute Nacht tat. Marguerite wusste es nur zu gut. Doch sie war bereit, ihn zu zahlen.
    Würde Nikolai es auch sein?
    Er saß aufrecht im Bett und betrachtete sie. Es herrschte angespanntes Schweigen. Das Laken rutschte zur Seite und enthüllte seine schlanke, muskulöse Figur. Das Licht schimmerte auf den feinen blonden Haaren, die seine wohlgeformten Arme und Beine bedeckten, und ließ ihn vergoldet erscheinen wie einen antiken Gott.
    Marguerite ließ den Umhang von den Schultern gleiten. Dann ging sie langsam auf das Bett zu. Sie wusste nicht, was Nikolai jetzt tun

Weitere Kostenlose Bücher