Die Sehnsucht des Freibeuters: Er war der Schrecken der Meere - doch sein Herz war voller Zärtlichkeit. Roman (German Edition)
Geschäftsmänner dieser Stadt und sogar Bengalens blieb Charles Daugherty nichts anderes übrig, als sich von Zeit zu Zeit auf Gesellschaften blicken zu lassen. Hatte er als junger Mann derartige Veranstaltungen gehasst, so sah er heute immerhin nur ein lästiges, aber notwendiges Übel in ihnen. Er hatte die Gastgeber Sir Percival und Lady Elisabeth begrüßt, war geschickt einigen heiratswilligen jungen Damen und deren entschlossenen Müttern ausgewichen und schlenderte nun vom Empfangssalon zwischen den eifrig plaudernden Gästen hindurch, bis er einen der hinteren Räume erreichte. Er blieb kurz in der Tür stehen. Öllampen und Kerzen erhellten den Saal, der Duft der blühenden Jasminsträucher aus Lady Elisabeths Garten vermischte sich mit dem oftmals übermäßig verwendeten Parfüm der Damen und sogar Herren. Zarte Gazevorhänge bewegten sich in der Brise vor den Fenstern und ließen einen leichten Luftzug hindurch, hielten jedoch viele der nachtaktiven Insekten ab.
Charles schüttelte einigen Männern die Hand, beantwortete Fragen und launige Bemerkungen und sah sich dabei unauffällig um. Es waren an diesem Abend fast ausschließlich Mitglieder der East India Company anwesend. Kein Wunder, war diese Gesellschaft doch die treibende Kraft und der größte Arbeitgeber nicht nur in Kalkutta, sondern in den von der britischen Krone dominierten Gebieten Ostindiens überhaupt.
Die meisten Männer waren in Begleitung ihrer Gattinnen, ihrer hoffnungsvollen Sprösslinge und noch viel hoffnungsvolleren Töchter, die bei diesen Anlässen danach trachteten, erfolgversprechende Bindungen zu knüpfen. Was ihn betraf, so gingen alle diesbezüglichen Bemühungen ins Leere. Er hatte nicht die Absicht, sich an eines dieser Gänschen zu binden, das dann nichts Besseres zu tun hatte, als ihre Nase in seine Angelegenheiten zu stecken. Da waren die sanftmütigen indischen Geliebten, die er sich von Zeit zu Zeit in sein Haus holte und dann mit einer großzügigen Abfindung wieder wegschickte, weniger problematisch. Und zum Großteil auch reizvoller.
Charles zuckte unmerklich zusammen. Dort drüben war Margret Fairfield. Sie redete ununterbrochen, wobei sich ihre Augen nach allen Seiten bewegten, um ja nichts zu versäumen. Ein gutes Beispiel für eines dieser Mädchen, die in dieser Saison hofften, unter die Haube zu kommen. Ihre Eltern hatten ihn schon dreimal eingeladen, er hatte jedoch immer eine gute Ausrede für sein Fernbleiben gefunden. Ihre Mutter war die größte Klatschbase in ganz Bengalen. Wer sich die als Schwiegermutter aufhalste, hatte es nicht besser verdient. Am besten, er machte an diesem Abend einen großen Bogen um Miss Fairfield.
Er wollte sich schon wegdrehen, als sein Blick auf die junge Frau neben Margret fiel und an ihr hängenblieb. Seltsam, dass sie ihm nicht schon früher aufgefallen war, sie war fast einen halben Kopf größer als Margret und nur wenig kleiner als die meisten Männer hier im Saal. Nicht gerade eine unauffällige Erscheinung. Er machte sich nicht viel aus Rotblonden, aber diese hier stach durch ihr dicht gelocktes, etwas wirres Haar heraus. Sie war ziemlich schlank, dünn sogar im Vergleich zu der weitaus üppigeren Margret, aber ihre Haltung hatte etwas, das seine Aufmerksamkeit unweigerlich anzog. Als sie sich einmal im Gespräch zur Seite wandte, erkannte er in ihr verblüfft die junge Frau, die am Vormittag so energisch auf einige betrunkene Matrosen losgegangen war. Und dort, vier Schritte von ihr entfernt, halb hinter einer der Zimmerpalmen verborgen, saß ihre chinesische Begleiterin. Sie trug ein kostbares Gewand und hatte das glänzende schwarze Haar zu einem anmutigen Knoten hochgesteckt. Eine hübsche Frau. Man hätte sie sogar eine Schönheit nennen können, wäre da nicht der harte, abschätzende Ausdruck gewesen, der einen merkwürdigen Kontrast zu ihren zarten Zügen bildete.
Seine Aufmerksamkeit wandte sich wieder der Rotblonden zu. Margret Fairfield redete eifrig auf sie ein, was sie teils zu amüsieren, teils zu langweilen schien. Ihr Profil war nicht gerade klassisch zu nennen, aber reizvoll. Sie hatte eine schmale, leicht gebogene Nase, ein energisches Kinn und einen etwas zu breiten Mund, der beim Sprechen und Lächeln schön gewachsene und gesunde Zähne sehen ließ.
»Amüsieren wir uns gut?« Die Stimme neben Charles klang spöttisch.
Er wandte den Kopf und nickte dem anderen zu. Mortimer Harding war so etwas wie die graue Eminenz von Charles’
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